Schuld währt ewig
Euro auf. Die Reiseprospekte auf dem Couchtisch offerierten Luxuskreuzfahrten. Voigt hatte das Geld schon verplant, das er nie erhalten hatte.
Im Regal standen Ordner. Dühnfort sah sie durch. Einer enthielt die Gehaltsabrechnungen der letzten Jahre bis zum Renteneintritt. Als sein Blick auf die Angaben zum Arbeitgeber fiel, hätte er fast gelacht.
Er reichte Gina den Ordner. »Voigt hat den Fahrzeughalter nicht zufällig erkannt. Er hat ihn ausfindig gemacht. Es war zu einfach. Zu verlockend.«
Sie las und verdrehte die Augen. »Ist nicht wahr.«
Auch Alois warf einen Blick in die Unterlagen. »Kfz-Zulassungsstelle? Da hat Voigt gearbeitet?«
Dühnfort klappte den Ordner zu. »Ich fahre jetzt dorthin. Auf diesem Weg kommen auch wir an die Daten. Wir sollten trotzdem noch einmal versuchen, Voigts Handy zu orten. Kümmert ihr euch darum?«
Alois zog die Schultern hoch. »Ich muss gleich los. Mertens will noch mal mit mir reden.«
»Weshalb? Das war Nothilfe. Es ist doch alles klar.«
»Er meint, ich hätte auf die Beine zielen sollen, und will die Situation nachstellen, um zu sehen, ob das möglich gewesen wäre.«
Ein Druck setzte sich in Dühnforts Hals. »Aber sonst geht es ihm gut?«
»Cool down.« Alois hob beschwichtigend die Hände. »Für mich ist das in Ordnung. Right between the eyes. Es gab keine andere Möglichkeit. Dein Körper hat seinen verdeckt. Und ich bin froh, wenn das einwandfrei dokumentiert wird.«
»Also gut. Wenn du mich brauchst, ruf an.«
»Mache ich. Falls es nötig werden sollte. Glaube ich aber nicht.«
Dühnfort fuhr nach Grasbrunn. Um vier Uhr hielt er auf dem Parkplatz der Kfz-Zulassungsstelle. Für den Parteienverkehr hatte das Amt bereits geschlossen. Dühnfort klingelte. Die Gegensprechanlage begann zu rauschen. Er brachte sein Anliegen vor und wurde kurz darauf von einer Frau eingelassen.
Er folgte ihr durch die verwaisten Flure, vorbei an Warteinseln und geschlossenen Schaltern zum Büro von Anton Behnke, dem Leiter der Zulassungsstelle. Behnke war ein stattlicher Mann mit lichtem Haar und rosigem Teint. Die Krawatte gelockert, die Ärmel aufgekrempelt, saß er in seinem überheizten Büro am Schreibtisch und fragte Dühnfort, was ihn denn hierher führte. »Normalerweise geht es um gefälschte Kennzeichen, wenn wir mit der Kripo zu tun haben. Aber die Mordkommission …« Bedächtig neigte er den Kopf.
»Erinnern Sie sich an Eugen Voigt?«
»Ein zuverlässiger Mitarbeiter. Pünktlich. Fleißig. Leider musste er vor einigen Monaten in Frührente gehen. Er hat sich von einem Sturz nie ganz erholt. Was ist mit ihm?« Die unausgesprochene Befürchtung, Voigt könnte etwas zugestoßen sein, schwang in der Frage mit.
»Er wird vermisst. War er in letzter Zeit hier?«
»Nicht dass ich wüsste. Und ich wüsste das.«
»Gibt es Kollegen, mit denen er befreundet ist?«
Behnke wiegte den Kopf. »Befreundet? So richtig befreundet war er hier mit keinem. Aber mit Hilmer ist er gut klargekommen. Karl Hilmer.«
»Ist er im Haus?«
»Glaub schon.« Behnke griff zum Telefon und bestellte Hilmer in sein Büro.
»Kann ich irgendwo ungestört mit ihm sprechen?«
»Nehmen Sie doch mein Büro. Falls Sie mich brauchen, finden Sie mich am Kaffeeautomaten.«
Kurz darauf klopfte es. Der Mann, der eintrat, trug einen beachtlichen Bierbauch vor sich her. Mit einer Hand strich er die graumelierten Haare seiner Halbglatze glatt, mit der anderen schloss er einen Knopf seines Sakkos. Sein Blick wanderte von seinem Vorgesetzten zu Dühnfort.
Behnke stellte die beiden einander vor und verließ den Raum. In der Ecke neben dem Fenster standen zwei gepolsterte Stühle und ein Tisch. Dühnfort wies darauf. »Setzen wir uns doch.«
Ächzend nahm der Mann Platz. »Es geht um Ihren ehemaligen Kollegen Eugen Voigt. War er in letzter Zeit hier oder haben Sie ihn getroffen?«
»Im September waren wir mal Kegeln. Seither habe ich nichts von ihm gehört.« Hilmer wich Dühnforts Blick aus. Die zu erwartende Frage, warum die Kripo das wissen wollte, erfolgte nicht.
»Voigt ist verschwunden.«
»Wie verschwunden?« Hilmer richtete sich auf.
»Verschwunden eben. Wir würden uns gerne mit ihm unterhalten und können ihn nicht finden. Voigt war Zeuge eines Verkehrsunfalls und hat ihn fotografiert. Von seinem Hobby wissen Sie?«
Hilmer ersparte sich eine Antwort. Er nickte.
»Wir nehmen an, dass er den Fahrzeughalter auf eigene Faust ausfindig gemacht hat.« Wieder hielt Hilmer Dühnforts Blick
Weitere Kostenlose Bücher