Schuld währt ewig
beiden stehen und machte sich auf die Suche nach Buchholz. Im Flur vor der Wohnung begegnete er Tino. Der hatte wieder mal dieses mürrische Gesicht auf, das signalisierte, dass die Ermittlungen nicht so liefen, wie er sich das vorstellte. Als er nun Alois entdeckte, verstärkte sich dieser Ausdruck. »Ich dachte, du machst den Abgleich der Personaldaten.«
»Vorher habe ich noch etwas für die KTU .« Er hörte diesen triumphierenden Unterton selbst und ärgerte sich darüber. Er hatte seinen Job gemacht. Mehr nicht. Wortlos drückte er Tino den Spurenbeutel mit der Postkarte in die Hand.
Er war schon auf dem Weg ins Erdgeschoss. Als Tinos Worte ihn erreichten. »He, Alois. Klasse Arbeit!«
46
Dühnfort sah ihm nach und wusste nicht so recht, was er von Alois halten sollte. Einerseits diese Eigenmächtigkeiten, andererseits zeigte er neuerdings richtig Biss.
Languth. Immer wieder tauchte dieser Name in den Ermittlungen auf. Da er hier im Moment nur Buchholz und seine Leute störte, entschloss sich Dühnfort, mit dem Mann zu reden. Er fuhr nach Aschheim und klingelte an der Tür eines Reihenhauses.
Eine Sekunde später öffnete Languth. Ein irritierter Blick folgte. »Was wollen Sie denn?« Offenbar hatte er jemand anderen erwartet.
»Routine. Kann ich reinkommen?«
»Wenn es sein muss.« Widerwillig trat Languth zur Seite. Dühnfort folgte ihm durch den Flur.
Ein Junggesellenhaushalt. Allerlei Sportgerät, wo sonst ein Essplatz zu erwarten war. Ein Mountainbike stand vor dem Fenster. Ein zweites lag in seine Einzelteile zerlegt auf dem mit Wellpappe geschützten Boden. Carver und Snowboard lehnten an der Wand. Zwei Böcke mit Holzplatte dienten als Arbeitstisch. Darauf lag jede Menge Werkzeug und dazwischen die Fahrradkette und die abmontierten Bremsen.
Languth blieb im Flur stehen. Seine Hände waren schmutzig. Vermutlich hatte Dühnfort ihn bei der Reparatur des Rades gestört. Etwas arbeitete in ihm. Ein Muskel zuckte unter dem Lid. »Ich erwarte Besuch. Eine Freundin. Wir wollen essen gehen.«
»Es dauert nicht lange. Kennen Sie Margarethe Hasler?«
»Hasler? Nein. Wer ist das?«
»Eine ältere Frau. Ihre Enkelin starb, nachdem sie versehentlich die Herztabletten ihrer Großmutter eingenommen hatte. Das ist jetzt vier Jahre her.«
Dühnfort beobachtete Languths Reaktion. In seinem Gesicht rührte sich nichts. »Nein. Dazu fällt mir nichts ein.«
»Sie war also nicht Mitglied in der Selbsthilfegruppe und hat auch an keinem Gesprächskreis teilgenommen?«
»Ganz bestimmt nicht.«
»Die Gesprächskreise, zu denen auch Nichtmitglieder eingeladen wurden, wie viele gab es davon?«
»Das haben wir nur ein- oder zweimal gemacht.«
»Wie lange ist das her?«
Mit der Hand fuhr Languth sich durchs Haar. »Der letzte war vor etwa drei Jahren.«
»Frau Hasler könnte also daran teilgenommen haben.«
»Hat sie aber nicht. Ich erinnere mich an die Leute, und diese Frau kenne ich nicht.«
»Gibt es ein Teilnehmerverzeichnis dieser Gesprächsrunden?«
Er verdrehte die Augen. »Wir sind keine Behörde.«
Dühnfort fluchte lautlos. »Wie haben Sie die Personen gefunden, die Sie zum Gesprächskreis einluden?«
»Ich betreue Menschen in Krisensituationen und biete Hilfe an.«
»Also durch Subvento.«
»Ja, unter anderem. Lydia ist sehr aktiv, was Öffentlichkeitsarbeit angeht. Es gab einige Artikel über die Gruppe und auch einen kurzen Filmbeitrag im Bayerischen Fernsehen. Nach solchen Veröffentlichungen melden sich regelmäßig Betroffene.«
Noch immer standen sie im Hausgang. Languth hatte offenbar nicht vor, Dühnfort einen Platz anzubieten. Er wollte das Gespräch so schnell wie möglich hinter sich bringen. Dühnfort knöpfte den Mantel auf. Ein Zeichen, dass es noch ein wenig dauern würde. »Sie setzen sich in Ihrer Freizeit ehrenamtlich für traumatisierte Menschen ein. Das ist bewundernswert.«
»Das sollte es aber nicht sein. Dass einer dem anderen hilft, dass die Starken für die Schwachen einstehen, halte ich für selbstverständlich.«
Der verächtliche Zug, der sich um Languths Mundwinkel eingrub, entging Dühnfort nicht. »Hat Ihr Engagement einen besonderen Grund?«
»Ich verstehe die Frage nicht. Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, dass ich soziales Engagement für die natürlichste Sache der Welt halte.«
»Ich dachte dabei an ein auslösendes Ereignis. Einen Unfall, einen Schicksalsschlag. Etwas in dieser Art, das den Anstoß gegeben hat.«
»Nein. Es gab nichts dergleichen.
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