Schuld war nur die Badewanne
überhaupt nicht interessierte? (Jetzt weiß ich sie aber: 216 Meter.)
Frau Flöß half uns noch, das Gepäck im Auto zu verstauen, und dann hoppelten wir zum letzten Mal über das Kopfsteinpflaster. »Müssen wir uns dieses Schiffs-Dingsbums wirklich ansehen? Warum fahren wir nicht gleich nach Seelow?«
»Weil ich deinem Bruder versprochen habe, ihm einen Prospekt mitzubringen, und die gibt es nun mal nur vor Ort.« Sven ist nämlich das einzige Mitglied unserer Familie, das vor technischen Neuerungen nicht nur keinen Horror hat, sondern sie meistens sogar versteht. Ihm verdanke ich es, dass ich den Videorecorder programmieren kann, mit dem Dampfkochtopf klarkomme und sogar das neue, futuristisch aussehende Bügeleisen benutzen kann. Sven ist nämlich in der Lage, das seitenlange Fachchinesisch der jeweiligen Gebrauchsanleitung in verständliches Deutsch zu übersetzen und das Wichtigste zusammenzufassen. Das zerlegt er dann in einzelne Arbeitsgänge, also erstens, zweitens, drittens …, tippt alles fein säuberlich ab, überzieht es mit Folie, und nun hängen diese Gedächtnisprothesen überall dort, wo ich sie brauche. – Dass sich sogar mein Herd programmieren lässt, hat Sven allerdings auch erst nach mehreren Monaten herausgefunden. Ich hatte mich zwar gewundert, dass links neben den Schaltknöpfen eine Uhr angebracht ist, zu der man sich immer hinunterbeugen muss, um sie abzulesen. Dachte mir dann aber, dass da wahrscheinlich noch eine leere Stelle zu füllen gewesen war. Uhren kosten nicht viel, machen sich aber immer gut.
Es hat mal einen Film mit Heinz Rühmann gegeben, in dem er einen Computerfachmann spielt, dessen ganzer Haushalt auf Knopfdruck funktioniert. Bevor er zur Arbeit ging, programmierte er das Abendessen und informierte seine Frau, dass die Ente um halb acht klingeln würde. Damals hörte sich das alles noch sehr utopisch an, jetzt besaß ich selber so ein Gerät. Ist ja auch ganz praktisch, wenn man zum Beispiel einen Friseurtermin hat und nicht genau weiß, wann man wieder rauskommt. Dann stellt man eben den Topf mit den geschälten Kartoffeln auf den Herd, gibt die gewünschte Startzeit an, und Punkt halb zwölf schaltet sich auch tatsächlich die Platte ein. Allerdings wäre es ganz hilfreich, wenn jemand zu Hause ist, der später die Temperatur drosselt! Kartoffeln haben nämlich die fatale Angewohnheit, überzukochen (das hat auch wieder was mit Physik zu tun!). Genaugenommen gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder programmiert man von vornherein eine niedrige Kochstufe, dann werden die Kartoffeln aber nicht weich, oder man nimmt eine höhere, und dann werden sie auch nicht weich, weil sie erst überkochen und danach anbrennen. Eigentlich funktioniert die ganze Sache bloß, wenn man einen Eintopf aufwärmen will und ihm dazu zwei Stunden Zeit gibt. Bis dahin ist man aber auch selber wieder zu Hause!
Wie bin ich denn jetzt vom Schiffshebewerk zu den Kartoffeln gekommen??? – Ach ja, die Technik! Zugegeben, die Anlage sah recht beeindruckend aus. Riesig war sie, man konnte sogar über eiserne Treppen hinaufsteigen und sich die ganze Sache von oben begucken, aber erstens wird mir schon auf der obersten Stufe einer ganz normalen Haushaltsleiter schwindlig, und zweitens herrschte ein viel zu großer Andrang. Es gab also tatsächlich sehr viele Leute, die sich für physikalische Vorgänge interessierten. Nicki hatte ein paar Minuten lang die rostigen Wände der leeren Hebekammer, oder wie immer das Ding heißt, angestarrt, dann wollte sie von mir wissen, was denn nun so sehenswert sei. Das wusste ich aber auch nicht.
Prospekte bekam man am Kassenhäuschen. Die kleinen waren gratis, die großen mit den technischen Details musste man bezahlen. Als ich sie später flüchtig durchblätterte, stellte ich fest, dass wir die ganze Zeit auf der falschen Seite gestanden hatten. Wir hätten nämlich noch den Hügel hoch und dann über die Brücke gehen müssen, denn dort ist der Kanal, und da kann man genau zusehen, wie die Schiffe … – Auch egal, ich kann jedenfalls mit vollem Recht behaupten, Deutschlands ältestes Schiffshebewerk besichtigt zu haben. Bisher hat das bloß noch niemand wissen wollen.
Auf dem Weg zum Parkplatz warf ich einen Blick auf meine Uhr – besser gesagt, ich wollte es tun, denn da war gar keine Uhr. Auch kein Ring und erst recht kein Armband. Nichts von dem hatte ich bisher vermisst, weil ich Schmuck nur dann trage, wenn er auch zur Geltung kommt. Und das
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