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Schule versagt

Schule versagt

Titel: Schule versagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Faltin , Daniel Faltin
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dem Studium, wissen Sie.« Die Art, wie sie mich ansah, zeigte, dass sie sich darunter absolut nichts vorstellen konnte. Ich fragte: »Welche Fächer unterrichten Sie?« »Ich unterrichte nicht mehr«, antwortete sie, »ich bin Seminarleiterin. Aber ich habe früher Englisch und Sport gegeben an einem Gymnasium.« Ich schätzte sie auf Anfang sechzig. Ich erfuhr, dass ich zwei schulpraktische Fachseminare absolvieren musste, pro Fach eines und jedes an einer anderen Schule, immer dort, wo die Fachseminarleiter zu Hause waren. In diesen Seminaren sollten uns fachspezifische Unterrichtsinhalte, -methodenund die dazugehörige Didaktik vermittelt werden, während das schulpraktische Hauptseminar für Allgemeine Pädagogik, Didaktik und Methodik zuständig war. Unterrichten würden die künftigen Referendare an den Schulen, denen man sie zugeteilt hatte. Als wir uns verabschiedeten, blieb ein Gefühl von Schule in mir zurück. Ich spürte, dass ich das nicht wollte und nicht mochte. Frau B.-K. war Lehrerin. Was hatte ich erwartet? Als ich die Schule verließ, lärmten die kleineren Schüler auf dem Pausenhof herum, die Älteren standen in Gruppen zusammen und redeten, neckten sich oder setzten sich in Szene, manche überlaut. Einige standen allein. Ich schaute mich um, sah das alles und konnte mir nicht vorstellen, hier dazuzugehören.
    Das erste Treffen im Seminarraum, den ich nun schon kannte, begann mit einer Vorstellungsrunde. Ich sah in junge Gesichter, entdeckte aber auch zwei in meiner Altersgruppe. Sicher war die Mehrheit dieser jungen Menschen 10 bis 15   Jahre jünger als ich. Die jüngste war gerade einmal 25   Jahre alt. Wie sich herausstellte, hatten alle diese künftigen Lehrer mit Ausnahme der drei Älteren nichts anderes kennengelernt als Schule und Studium und nun kam das Referendariat, das sie in spätestens zwei Jahren wieder zurück in die Schule führen würde, nur in anderer Stellung, mit veränderter Perspektive, und auch und besonders mit derjenigen, bald verbeamtet und bis ans Lebensende versorgt zu sein. Einige wohnten sogar noch im »Hotel Mama«. Andere hatten kleine Kinder, um die sie sich zusätzlich kümmern mussten, einige wurden später während der Ausbildung schwanger und unterbrachen für mindestens ein Jahr, natürlich mit der Sicherheit, jederzeit zurückkommen und ihre Ausbildung fortsetzen zu können, wenn sie die Höchstzeit von fünf Jahren nicht überschritten. Übrigens traten einige Frauen im Laufe der Ausbildungszeit auch bewusst die Flucht in die Schwangerschaft an. Ich fragte mich selbst schon nach einigen Tagen, was einen jungen Menschen dazu motiviert, diese Ausbildung zu absolvieren und dann bis zur Pensionsgrenze Lehrer zu bleiben.
    Zumindest musste man annehmen, dass sie das vorhatten. Die Realität sieht allerdings anders aus: Zwischen 1993 und 2000 hat sich bundesweit die Anzahl der Lehrer, die vorzeitig als dienstunfähig eingestuft wurden, beinahe stetig erhöht. Dabei lag dievorzeitige Pensionierung in der Gruppe der 55- bis 6 0-Jährigen am höchsten. Sie stieg von 1269   Fällen im Jahr 1993 auf 4804 im Jahr 2000. 1 Die Dienstunfähigkeit lag in allen Altersgruppen unter 45   Jahren und älter, jedoch vor Erreichen einer Altersgrenze, bei 4037 im Jahr 1993 und bei 11.932 im Jahr 2000. 2 Ab 2001 wurden vom Gesetzgeber Abschläge für den Fall einer vorzeitigen Pensionierung eingeführt: »Nach der Einführung von Abschlägen bei der Pensionierung aufgrund von Dienstunfähigkeit vor Vollendung des 63.   Lebensjahres war die Zahl der Pensionierungen wegen Dienstunfähigkeit kontinuierlich gesunken. Im Jahr 2000, dem Jahr vor Einführung dieser Abschläge, waren noch 64   Prozent aller Pensionierungen von Lehrerinnen und Lehrern wegen Dienstunfähigkeit erfolgt.« 3 Die Wirkung der Abschläge setzte nach ihrer Einführung sofort ein. In der Altersgruppe mit der höchsten Zahl der vorzeitigen Pensionierungen, den 55- bis 6 0-Jährigen , sank der Anteil im Jahr 2001 auf 3240 (von 4804 im Jahr 2000, s. o.), bei den über 6 0-Jährigen sank der Anteil der vorzeitigen Pensionierungen von 4561 im Jahr 2000 auf 3015 im Jahr 2001. 4 Auch in den Folgejahren veränderte sich die Quote: in der Altersgruppe der 55- bis 6 0-Jährigen von 2096   Fällen im Jahr 2002 auf 1869 im Jahr 2007. 5 Die über 6 0-jährigen vorzeitig Pensionierten bezifferten sich im Jahr 2002 auf 2035, im Jahr 2007 auf 1792   Fälle. 6 Die Dienstunfähigkeit vor Erreichen einer Altersgrenze

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