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Schumacher, Jens - Deep

Schumacher, Jens - Deep

Titel: Schumacher, Jens - Deep Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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sie eine Bar, die Kapitänsbrücke, zahllose Unterkünfte sowie die Bordwetterwarte. Mit einem zufriedenen Nicken nahm er zur Kenntnis, dass hinter keinem der Fenster Licht brannte. Die Mannschaft hatte seinen Befehl befolgt und war früh zu Bett gegangen. Das war wichtig. Wenn alles plangemäß lief, würde das Schiff in zwei Tagen die Südküste Javas erreichen. Dann würde es für die Crew einiges zu tun geben.
    Müde Menschen machten Fehler. Und Fehler durfte es nicht geben.
    Der Mann passierte ein über acht Meter langes Rettungsboot, mehrere Winden und sechs Stahlcontainer, jeder groß genug, um einen Mittelklasse-Pkw aufzunehmen. Als er an einem kleinen Helikopter vorbeikam, einem Sikorsky S-300CBi mit luftgefüllten Kunststoffkufen, die das Landen auf dem Wasser ermöglichten, hob er im Vorbeigehen eine Hand und ließ sie gedankenverloren über dessen schwarz lackierte Außenhaut gleiten.
    Schließlich erreichte er das Heck. Hier befand sich der größte aller Lastenkräne, ein Ungetüm von über zwanzig Tonnen Tragkraft, dessen stählerner Ausleger sich wie der Hals einer vorzeitlichen Kreatur weit über das Wasser reckte.
    Der Mann hielt inne. Langsam ließ er seinen Blick vom Deck des Schiffes aufs Wasser gleiten, zu dem kilometerlangen Streifen weißschaumigen Kielwassers, den das Schiff im ruhigen Ozean hinterließ.
    Sofort fand er, wonach er suchte.
    Ein enormer, schattenhafter Umriss pflügte hinter dem Heck durch die Wellen. Die Ketten, die das Objekt mit dem Schiff verbanden, dicker als der Oberschenkel eines Mannes, waren im Licht der Sterne und des Mondes deutlich zu erkennen.
    Die Mundwinkel des Mannes begannen zu zucken, während er sich über die Heckreling beugte und das enorme Anhängsel mit demselben verkniffenen Blick musterte wie zuvor die nächtliche See. Seine Lippen verzogen sich, bildeten etwas, das sich mit viel Fantasie als Lächeln deuten ließ.
    Das Objekt hatte Ähnlichkeit mit einem überdimensionalen Insekt. Nur ein kleiner Teil ragte über das Wasser hinaus, ein massiger ovaler Rumpf, vollständig mit schwarzen Kunststoffplanen verzurrt. Auf Steuer- und Backbordseite ragten dicht unter der Oberfläche insgesamt sechs bogenförmig gekrümmte Ausleger daraus hervor, wie die Beine eines Käfers.
    Lange ruhte der Blick des Mannes auf dem Koloss aus Titan und Lexan-Glas. Das Gebilde war fast so lang wie das Schiff, das ihn von der Westküste Australiens durch den Indischen Ozean schleppte, und mehr als doppelt so breit. Es hatte Überredungskunst, Beziehungen und nicht zuletzt beträchtliche Summen in harter Währung gekostet, bis man ihm dieses Wunderwerk der Technik zur Verfügung gestellt hatte. Weitere Gespräche, Drohungen und Schmiergelder waren nötig gewesen, um innerhalb kürzester Zeit die erforderlichen Genehmigungen zu erhalten, offiziell im Zielgebiet operieren zu dürfen.
    Aber der Aufwand würde sich lohnen. Wenn die Operation Erfolg hatte, würde diese Reise die Krönung seiner wissenschaftlichen Karriere darstellen – und noch mehr als das. Über seinen Tod hinaus würde man sich an ihn als einen brillanten Geist erinnern, der sich auf ewig in den Annalen moderner Kriegsführung verewigt hatte …
    Falls er sich nicht täuschte!
    Der Mann schüttelte so heftig den Kopf, dass sich eine der öligen Haarsträhnen von seinem Kopf löste und im Westwind zu flattern begann. Mit einer beiläufigen Handbewegung klatschte er sie zurück an ihren Platz.
    Er täuschte sich nicht. Seine Recherchen waren fundiert und lückenlos, und sie ließen nur einen Schluss zu. Seine Entdeckung würde der Welt dauerhaften Frieden und ihm selbst ewigen Ruhm einbringen.
    Der Mund des Mannes öffnete sich, und ein abgehacktes, meckerndes Lachen bahnte sich einen Weg ins Freie.
    »Resonabit fama  per orbem«, bellte er in den tosenden Wind, der ihm die Worte sogleich von den Lippen riss und sie davontrug.
    Niemand außer der finsteren See hörte ihn.

4
     
    CILACAP, 24. SEPTEMBER 2013
     
    Das Mädchen war schon verdammt lang unter Wasser!
    Henry setzte sich auf und spähte prüfend einmal in beide Richtungen den Strand hinunter. Nein, sie war nicht abgetrieben worden und ein paar Hundert Meter weiter wieder an Land gekommen.
    Er begann, sich Sorgen zu machen.
    Das Mädchen war ihm gleich aufgefallen, als er am frühen Vormittag zum Strand heruntergekommen war. Das hatte zum Teil daran gelegen, dass hier so wenig los war: Höchstens eine Handvoll Angler standen an diesem Strandabschnitt, ihre

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