Schummeln fuer die Liebe
diskret, wirklich. Baxters Anblick raubt mir augenblicklich die Fassung. Ich räuspere mich.
»Also, wo waren wir stehen geblieben?«, fragt Raoul amüsiert.
»Ääh ja! Also ich habe mich in meinen besten Freund verliebt, aber in den ist auch schon meine beste Freundin verliebt und deshalb habe ich dich erfunden.«
»Du hast mich erfunden!« Er guckt, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.
»Ja, damit die nichts merken.« Wie soll ich das bloß erklären. Ich fange noch mal an. »Also klar, natürlich habe ich nicht dich erfunden, sondern bloß jemanden, der Raoul heißt. Den habe ich im Urlaub kennengelernt, angeblich. Und der hat sich in mich verliebt undich mich in ihn, verstehst du.« Oh Mann, ist der schwer von Begriff. Er guckt immer verständnisloser. Vorsichtshalber drücke ich ihm noch einen Kuss auf den Mund. »Also, diesen Raoul habe ich erfunden, damit niemand merkt …«
»Jaja!«, sagt er ungeduldig. »So weit kann ich dir folgen, aber was hat das mit mir zu tun?«
»Ich habe dein Foto geklaut!« Er zieht die Augenbrauen hoch. »Ja, im Fotoladen von meiner Tante. Du siehst genau so aus, wie ich Raoul beschrieben habe.« Ich spüre, wie er anfängt zu beben. »Nicht lachen!«, rufe ich erschrocken. »Sonst fliegt alles auf.«
»Also gut!«, sagt er und bemüht sich, ernst zu bleiben. Es gelingt nur so einigermaßen. »Ich bin also Raoul und ich liebe dich. Ich komme aus …?«
»Aus der Schweiz!« Keinen Lachkrampf! Noch nicht! Bitte!
Er beißt sich auf die Lippe. »Ich komme aus der Schweiz und ich liebe dich und jetzt gehen wir da rüber und du stellst mich deinen Freunden vor. War’s das dann? Ich habe nämlich heute noch was anderes vor.«
»Nein!«, rufe ich erschrocken. »Jetzt liebst du mich nicht mehr!«
»Ach, jetzt liebe ich dich nicht mehr. Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Weil ich jetzt nicht mehr in Flo, ich meine, in meinen besten Freund verliebt bin.« Ich seufze. Das ist aber auch alles kompliziert. Ich gebe mir einen Ruck. »Ich habe mich jetzt in den Cousin von Flo verliebt unddeshalb musst du mit mir Schluss machen.« Den letzten Satz sprudle ich hastig raus. Wahrscheinlich weil mir irgendwo klar ist, dass Raoul jetzt endgültig einen Lachkrampf kriegen muss. Völlig verzweifelt küsse ich ihn ein drittes Mal auf den Mund. So fest, dass er ein »Autsch« hervorquetscht und sich dann die Lippen reibt. Aber lachen tut er jedenfalls nicht mehr.
»Warum mache ich mit dir Schluss? Sag schnell. Deine Freunde sind im Anmarsch.«
»Die Entfernung ist zu weit. Du bedauerst das zwar, aber wir sind uns einig«, presse ich atemlos hervor. Gerade noch rechtzeitig, denn jetzt rücken tatsächlich die anderen an.
»Genug geknutscht!«, ruft Teresa fröhlich und ich will gerade anfangen, Raoul vorzustellen, als Teresas Bruder Julian auftaucht. Er begrüßt uns, sagt irgendwas wahnsinnig Witziges zu seiner Schwester und dann … ich wünschte, man könnte auf Kommando in Ohnmacht fallen … dann dreht er sich kurz und ganz nebenbei zu »Raoul« um und sagt: »Hey, Phil, dich habe ich ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.«
Gibt’s keine Notbremse in der Achterbahn?
Was tut man in so einem Fall? Eine Kerze stiften, ein Rauchopfer darbringen oder bis ans Ende aller Tage auf Süßes verzichten? Es ist mir egal. Im Moment bin ich bereit, alles auf einmal zu tun.
Raoul
dreht sich nämlich erstaunt zu Julian um und sagt in einem Tonfall, der ein bisschen an Schwyzerdütsch erinnert: »Entschuldigung, du musst mich verwechseln. Mein Name ist Raoul!« Dann drückt er Julian die Hand, der ihn ungläubig anstarrt. Aber wenigstens sagt er nichts mehr.
Dafür übernehme ich schnell das Wort. »Ähm. Also das ist Raoul. Raoul, das ist meine Freundin Teresa, mein Freund Flo, sein Cousin Baxter und das ist Johann.«
Raoul schüttelt allen die Hand. Das wirkt irgendwie komisch. Leute in unserem Alter geben sich normalerweise nicht die Hand.
»In der Schweiz ist das Händeschütteln noch ziemlich üblich«, sage ich und fange dämlich an zu kichern. Oh Hilfe! Ich wünschte, das hier wäre vorbei und ich läge zu Hause in meinem Bett. So langsam werden auch
Raouls
– oder besser Phils – Freunde unruhig.Hoffentlich kennt Julian die nicht auch. Ich versuche, sie mit Blicken und Kopfschütteln davon abzuhalten, näher zu kommen. Dann gucke ich zu Baxter rüber. Hat er was gemerkt? Ich grinse dümmlich, aber Baxter grinst nicht zurück. Schnell wende ich mich wieder
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