Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
dass ich ihn nicht leiden kann?«
Grätsch schnaubte. »Mach mir nichts vor. Was ist es?«
Schuster schnaubte ebenfalls. »Es ist ... seine Art.«
Grätsch sah ihn verwundert an. »Was ist mit seiner Art? Ich finde, er ist freundlich, kollegial ...«
Schuster verschluckte sich an seinem Bier. »Wie bitte? Er ist kollegial, ja? Er nutzt jede Gelegenheit, mir meine Macken unter die Nase zu reiben. Er hat einen Schlumpf aus mir gemacht.«
»Und das trägst du ihm noch immer nach.«
Schuster griff geistesabwesend neben sich und kraulte einen Katzenkopf, in der Annahme es wäre Herr Meier. Es war aber Hektor, der sich an seinem Bein rieb und so tat, als könnte er kein Wässerchen trüben.
Als Schuster seinen Irrtum bemerkte, nahm er hastig seine Hand weg.
»Vielleicht solltet ihr mal was trinken gehen«, schlug Grätsch vor.
»Wer?«, fragte Schuster etwas verwirrt.
»Lahm und du.«
»Nein, danke.«
»Nachtragend sein ist auch nicht unbedingt eine Charakterstärke«, brummte Grätsch.
Er stand auf. »Ich sollte längst zu Hause sein. Geli hat Gardinen gewaschen und braucht jemanden zum Aufhängen.«
Schuster rollte die Augen. »Wenn ich’s mir aussuchen könnte: ein zweites Bierchen auf dem Balkon oder auf einer wackligen Leiter nasse Gardinen aufhängen, also ich könnte mich da nicht entscheiden.«
Sein Kollege lachte dröhnend. »Sag mal, was ist eigentlich aus der Haarprobe geworden? Konntest du den Doc breitschlagen?«
Schuster grinste nur.
»Du hoffst nicht wirklich, dass er es war, Schuster.«
»Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich den Kerl nicht leiden kann. Und er hat sich verdächtig benommen, oder etwa nicht? Und er hat eine Frau gewürgt. Und er hat widerliche Videos auf seinem Rechner. Reicht das etwa nicht?«
Sein Kollege verzichtete auf eine Antwort. »Ich mach mich dann mal auf den Weg. Danke fürs Bier.«
»Immer gern. Viel Spaß beim Gardinenaufhängen.«
Mit einem weiteren Bier setzte Schuster sich auf seinen winzigen Balkon, legte die Beine hoch und läutete offiziell den Feierabend ein.
Er trank zu viel, das wusste er. Er sollte sich das schleunigst wieder abgewöhnen. Bei der Gelegenheit könnte er sich gleich auch das Grübeln abgewöhnen.
Schöne Vorstellung, leider nur ganz und gar nicht so einfach. Kaum war er allein, musste er schon wieder an Silke denken.
Grätsch hatte recht, er durfte ihr nicht einfach das Haus überlassen. Wenn er ganz ehrlich war, fand er den Gedanken unerträglich, dass sich Fred Morgen für Morgen in seinem Badezimmer rasierte.
Und dann ritt ihn plötzlich der Teufel. Er rief Silke an und setzte sie auf den Pott.
»Wir müssen noch mal über das Haus reden.«
Er hörte, wie sie nach Luft schnappte und konnte sich ihr Gesicht gut vorstellen. Er empfand ein bisschen Genugtuung.
»Was soll das, Heiner? Ich dachte, wir hätten das alles geklärt«, erwiderte sie etwas schnippisch.
»Schon. Aber ich ... ich hab noch mal nachgedacht, und ich finde, wir müssen einfach noch mal drüber reden.«
Sie seufzte laut auf. »Heiner, das passt mir gerade gar nicht. Fred kommt gleich. Wir wollen ... wir werden für längere Zeit verreisen.«
Schuster schwieg.
»Wir werden quer durch Amerika fahren.«
Der Boden unter ihm schwankte leicht, und er hatte das Gefühl, jeden Moment vom Stuhl zu kippen. Nicht nur wegen des Alkohols und des leeren Magens.
Er hatte eine Amerikareise mit Silke machen wollen. Einmal quer durch die USA, davon hatte er immer geträumt.
Und jetzt fuhr sie tatsächlich mit diesem Würstchen, diesem lächerlichen Freddyboy!
Er atmete heftig aus. »Schön, dann lass uns jetzt drüber reden.« Hatte er das gerade gesagt? Wow.
Er ging zum Kühlschrank und nahm den Tequila, den er letztes Weihnachten von irgendwem geschenkt bekommen hatte, schraubte mit einer Hand den Deckel ab und nahm einen
ordentlichen Schluck. »Ich will, dass wir jetzt und sofort drüber reden, Silke.«
Sieh mal an, Heiner Schuster hat heute Nacht von Mut geträumt.
»Ich hab keine Ahnung, was mit dir los ist, Heiner, aber gut, schön, lass uns über das Haus reden.«
Er nahm noch einen langen Schluck und klemmte sich die Flasche unter den Arm. »Wir sollten es verkaufen.«
Sie sagte kein Wort.
Er nahm noch einen Schluck Tequila. »Du kannst dir von dem Geld ein neues Haus kaufen. Vielleicht möchte Fred auch ...«
»Lass Fred aus dem Spiel«, fauchte sie.
»Ich könnte mir auch wieder ein Haus kaufen.«
Sie zischte irgendwas, er verstand es nicht
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