Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
ordnungsgemäß angemeldet, 1952 geboren, alleinstehend und wir haben nichts gegen ihn im Computer.«
    »1952 geboren?«
    Sie nickte, sprach aus, was er dachte. »Etwa so alt wie dieser angebliche Bauer.«
    »Wir fahren hin, ja?« Braig schaute auf seine Uhr, sah, dass es kurz vor fünf war. »Wenn Beckstein arbeitet, muss er bald nach Hause kommen. Aber vorher werde ich etwas essen. Ich vergehe vor Hunger.«
    Neundorf stimmte ihm zu, bat Rauleder, die Wohnung gründlich zu untersuchen und sie zu benachrichtigen, falls er auf etwas Besonderes stoßen sollte.
    Braig atmete tief durch, als sie ins Freie traten. Die frische Luft tat ihm augenblicklich gut. Er blieb einen Moment stehen, streckte sich, genoss die Wärme der Sonne auf seiner Haut.
    War es wirklich richtig, sich beruflich solch intensivem Stress auszusetzen?
Die Seele baumeln lassen
– irgendwo hatte er den Satz gelesen, er wusste nicht mehr, wo und in welchem Zusammenhang. Er hatte ihm gefallen, in der Wahl der Worte, auch von seiner Bedeutung her. Irgendwann werde auch ich
meine Seele baumeln lassen
, einfach alles vergessen, jeden Ballast abwerfen, nahm er sich vor. Zum wievielten Mal? Sobald er die vage Hoffnung hegte, er könne die Kraft und den Mut aufbringen, damit zu beginnen, kam etwas dazwischen. Er wagte schon kaum mehr, diesen Gedanken zu spinnen: Dann eben morgen, sagte er sich immer wieder, nächste Woche, übernächsten Monat. Dabei wusste er insgeheim längst, dass er sich niemals ausklinken könnte.
    Braig merkte, dass Neundorf ihn verwundert ansah.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie.
    Er nickte, lief weiter. Ich bin einfach nicht der Typ dafür, dachte er, meine Seele wird niemals baumeln. Es geht nicht. Vielleicht wenn ich tot bin. Dann ist Zeit genug dafür. Aber vorher wohl kaum.
    Sie setzten sich auf die klapprigen Stühle eines kleinen Schnellimbisses am Rand der Fußgängerzone, aßen Pommes mit Salat, tranken einen Kaffee, schwiegen sich gegenseitig an. Erst als sie Ludwigsburg verlassen hatten, kam Neundorf zum Thema.
    »Was glaubst du? Führt dieser Beckstein uns zum angeblichen Herbert Bauer?«
    Braig wusste nicht, was er antworten sollte. Er war müde, hatte Probleme, sich auf die vor ihnen liegenden Ermittlungen zu konzentrieren. Die – wenn auch karge – Mahlzeit lag ihm wie ein Stein im Magen. Wahrscheinlich hatte er die Pommes vor lauter Hunger viel zu schnell hinuntergewürgt.
    »Er muss den Kerl kennen«, sagte Neundorf, »weshalb hätte der sonst Becksteins Nummer in das Notenheft schreiben sollen?«
    »Vorausgesetzt, es war wirklich dieser Herbert Bauer.«
    Sie drehte ihren Kopf zur Seite, starrte ihren Kollegen an. »Das ist richtig. Noch wissen wir es nicht.«
    »Vielleicht ist Beckstein längst über alle Berge.«
    »Was wissen wir denn überhaupt?«, stöhnte Braig – und nach einer Weile: »Berge – Bergs – Bergs – Berge!« Er war so müde! »Wenn er irgendetwas mit der Sache zu tun hat, wurde er gewarnt. Spätestens seit heute Mittag weiß der angebliche Herbert Bauer, dass wir in der Wohnung Beate Bergs recherchieren. Und dort lag das Orgelheft Hemmers.«
    Neundorf sah besorgt zu ihm hinüber, starrte aber gleich wieder auf die Fahrbahn. »Oder wir treffen auf Bauer persönlich. Alias Günter Beckstein.«
    »So dumm wird er nicht sein, auf uns zu warten.«
    »Was tun wir, wenn wir nicht in die Wohnung kommen? Sofort öffnen?«
    Braig überlegte, schüttelte dann den Kopf. »Ich werde Hofmann anrufen und ihm die Lage schildern. Er soll entscheiden.«
    »Vielleicht ist es besser, wir lassen das Haus überwachen. Möglichst dezent, um Beckstein nicht zu warnen.«
    »Du glaubst, das hat einen Sinn?«
    Neundorf sah einen großen Lastwagen vor sich, bremste. »Wir müssen darüber nachdenken.«
    Die Unterländerstraße lag im Zentrum Zuffenhausens, nur wenige Kilometer von Ludwigsburg entfernt. Das Haus, in dem Günter Beckstein wohnte, befand sich unweit der Stadtautobahn. Beide Straßen waren von unübersehbaren Blechlawinen verstopft. Auto auf Auto dröhnte vorbei, Lärm und Gestank terrorisierten die gesamte Umgebung. Heulende Motoren, ohrenbetäubendes Hupen, ein Brummen und Tosen, das jedes Wort übertönte, die Luft eine Melange aus Gift und Dreck. Menschen mit angespannten Gesichtern huschten wie gejagtes Wild über die schmalen Gehwege.
    Braig presste die Hände über die Ohren, sah die dunklen, von Schmutzschlieren überzogenen Hausfassaden, las die Namen der Bewohner.
Ülcün, Meric, Üldoglu,

Weitere Kostenlose Bücher