Schwaben-Freunde: Kommissar Braigs 16. Fall (Schwaben-Krimi) (German Edition)
»angedeutet.«
»So. Hat er das?«
»Ja, das hat er. Es hörte sich gar nicht gut an.« Neundorf schwieg einen Moment, griff dann in ihre Tasche. »Ich glaube, es hat mit dem zu tun«, sagte sie. Sie zog eine kleine Tüte vor, leerte ihren Inhalt mitten auf den Tisch. Die Augen aller Anwesenden starrten auf das filigrane Ohrgehänge mit dem auffallenden, dunkelblauen Stein.
»Wo haben Sie das her?«, fragte Petra Weidner erschrocken.
»Aus Rielkes Haus. Es lag auf dem Boden der Toilette; dem Raum mit dem winzigen Fenster.«
»Aha. Und weshalb bringen Sie es uns?« Claudia Steib legte beruhigend ihre Hand auf den Unterarm ihrer Freundin.
»Na ja«, antwortete Neundorf. »Ich erinnerte mich, dass Sie, Frau Steib, genau diese Art von Schmuck trugen.«
»Nicht nur Frau Steib«, unterbrach sie Petra Weidner. »Auch ich trage diese Art von Schmuck.«
»Und wir tauschen ihn sogar aus«, erklärte Claudia Steib. »Einmal trage ich ihn, dann wieder Petra. Nur damit Sie das wissen.«
Neundorf nickte. »Möchten Sie uns nicht endlich erzählen, was passiert ist?«, fragte sie.
Die beiden Freundinnen warfen sich kurze Blicke zu.
»Sie wollen es wirklich wissen?« Claudia Steib musterte die Mienen ihrer Besucher.
Beide nickten.
»Also gut.« Sie atmete tief durch. »Wir drehten eine Reportage über die Folgen touristischer Erschließung bisher weitgehend unberührter Gebiete. Karsten, mein Kameramann«, Claudia Steib wies auf den Mann im Rollstuhl, »Mario, unser Toningenieur und ich. Im Süden Tunesiens, in verschiedenen Oasen. Kleine Individualveranstalter hatten sie seit wenigen Jahren in ihre Programme aufgenommen. Wir wollten zeigen, wie sich das auswirkt. Der Bau neuer Häuser und Zelte, die Befestigung von Wegen, der höhere Verbrauch von Wasser und anderen natürlichen Ressourcen und überhaupt die Veränderung des dörflichen Lebens. Zwei Wochen waren wir unterwegs in verschiedenen Oasen. Die Tage bei solchen Exkursionen verlaufen nie gleich, mal kommt ein Sandsturm in die Quere, mal ist die Hitze nicht mehr zu ertragen und dann noch die leidigen Verdauungsprobleme: An dem Tag hatte es Mario erwischt. Wir entschlossen uns, ihn im Zelt zurückzulassen und die Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit zu Landschaftsaufnahmen zu nutzen, da macht sich das Fehlen des Toningenieurs nicht so bemerkbar. Die Randstunden des Tages sind die ideale Zeit für dieses Vorhaben, am frühen Morgen und am Abend, kurz bevor die Sonne am Horizont verlischt, verzaubert das Licht die gesamte Umgebung. Karsten und ich suchten uns einen Platz vielleicht einen halben Kilometer von unserer Oase entfernt, schauten nach Schatten für unseren Landrover und ein kleines Zelt, warteten auf den richtigen Moment. Und genau in den Minuten, als wir die Kamera fokussiert hatten, ist es passiert. Ein Jeep raste mit irrsinnigem Tempo um die Kurve am Fuß eines der Hügel, erwischte zwei Kinder, die dort unterwegs waren und katapultierte sie in die Luft. Karsten und ich starrten sprachlos in die Tiefe, wir waren wie gelähmt, konnten auch nicht reagieren, als das Auto anhielt und zwei Männer ausstiegen. Die Kamera lief, wir hatten sie genau auf das Areal ausgerichtet, wo die Kinder lagen – vielleicht hundert Meter entfernt. Die beiden bewegten sich noch, waren aber schwer verletzt, so viel konnten auch wir erkennen. Und dann, als wir uns endlich aus unserer Erstarrung lösten, mussten wir ohnmächtig mit ansehen, wie die Männer ihr Fahrzeug wieder bestiegen, dann genau auf die Kinder zusteuerten und beide mehrfach überrollten.« Sachlich, ohne jede Emotion hatte die Frau das Geschehen rekapituliert. Keine stockende Stimme, keine Tränen, nichts.
Im Zimmer war es ruhig, keine der anwesenden Personen rührte sich, niemand stellte eine Frage.
»Dann bemerkten sie uns«, fuhr Claudia Steib fort. »Zwei laut schreiende, wild gestikulierende Personen, die den Hügel abwärts auf sie zurannten und sich ihnen orientierungslos vor Wut und Entsetzen in den Weg stellten.« Sie verstummte, blickte über den Tisch, überließ es Petra Weidner, fortzufahren.
»Ich war nicht dabei. Aber ich kenne jede Minute, nein, jede Sekunde dieses Abends in- und auswendig. Sie glauben nicht, wie oft wir darüber gesprochen haben«, erklärte die Frau. »Sie haben Karsten überfahren. Mit ihrem Jeep.«
Braig schaute zu dem Mann im Rollstuhl, sah, wie sich dessen Atmung beschleunigte.
»Und dann nahmen sie sich Claudia vor«, mischte sich Karsten Weidner schwer atmend
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