Schwaben-Freunde: Kommissar Braigs 16. Fall (Schwaben-Krimi) (German Edition)
Autowahn zum Opfer.
Dass die Ruhbank alle paar Minuten auch von den schnellen Zügen der Stadtbahn sowohl aus dem Zentrum als auch aus mehreren Vororten erschlossen wurde, sich hier zudem ein zeitweise intensiv genutzter Umsteigepunkt zu verschiedenen Buslinien befand, ging im Lärm der vielen Fahrzeuge unter. Was Kriminaloberkommissar Knudsen an diesem noch dunklen Freitagmorgen auf dem Rückweg vom Unfallort dennoch ins Auge fiel, waren die Überwachungskameras im Bereich der Stadtbahnstation. Direkt unterhalb einer der Kameras blieb er stehen, betrachtete die Ausrichtung ihres Objektives. Wenn ihn nicht alles täuschte, wurde das Geschehen auf den benachbarten Fahrbahnen voll erfasst.
Knudsen zog sein Handy aus der Tasche, erkundigte sich bei den Beamten der Verkehrspolizei nach den zuständigen Kollegen. Er benötigte mehrere Anläufe, erhielt schließlich die Auskunft, dass die Aufzeichnungen der Kameras acht Tage lang gespeichert wurden.
»Die benötigen wir. Alle Kameras der Ruhbank mit den Bildern von heute Morgen«, erklärte er.
»Sie holen sie ab?«
»In zwanzig Minuten etwa.«
Kurz vor neun Uhr war Knudsen wieder im Amt. Er hatte Neundorf und Braig über den wohl durch eine Manipulation herbeigeführten tödlichen Unfall Rassauers informiert und sofort ihre Zusage erhalten, bei der Sichtung der Aufnahmen zu helfen. Sie teilten die DVDs unter sich auf, nahmen vor ihren Monitoren Platz. Braig und Knudsen hatten den hellen BMW Rassauers fast gleichzeitig auf ihren Bildschirmen. Braig aus einer vom Unfallort noch etwas entfernteren Position, Knudsen etwa hundert Meter weiter, wo bei sämtlichen die Kamera passierenden Fahrzeugen die roten Bremslichter aufleuchteten. Nur bei dem nach einer längeren Fahrzeuglücke mit hoher Geschwindigkeit vorbeischießenden, hellen BMW Rassauers nicht.
»Alle bremsen«, sagte Knudsen. »Einer nicht.« Er hielt das Bild an, wiederholte die Szene, als Neundorf und Braig neben ihm Platz genommen hatten.
Ein stark seine Fahrt verlangsamender Golf war zu sehen, dahinter ein dunkler, ebenfalls bremsender Passat. Dann mehrere Sekunden lang nichts. Die beiden Wagen hatten längst weiter vorne hinter einem wartenden Fahrzeugpulk Halt gefunden, als plötzlich ein heller BMW vorbeischoss.
Knudsen gab einen neuen Befehl ein, holte die Szene zurück, ließ den Film dann in extremer Zeitverzögerung weiterlaufen. Der bremsende Golf, seine Fahrerin deutlich zu erkennen, dann der Passat samt dem Mann am Steuer. Anschließend eine längere Pause. Mehrere Sekunden verstrichen, ohne dass ein neues Auto auftauchte. Dann aber, trotz der Zeitlupe schnell ins Bild schießend, der helle BMW und, kurz zu sehen, Rassauer, eine brennende Zigarette im Mund, den Kopf hektisch auf und ab bewegend.
»Da hat er schon bemerkt, dass die Bremsen nicht funktionieren«, meinte Neundorf.
Das Auto tauchte mit unverminderter Geschwindigkeit nach links ab, prallte auf die dort wartenden Fahrzeuge und wurde dabei vollends aus dem Bild katapultiert. Sekunden später waren am äußersten linken Rand des Monitors helle Feuerschwaden zu erkennen.
»Der wollte sich nicht umbringen«, urteilte Braig.
»Nein, das ist kein Suizid«, stimmte seine Kollegin zu. »Die Aufzeichnungen sind deutlich genug. Der versucht verzweifelt, das Auto zum Stehen zu bringen.« Sie erhob sich von ihrem Platz, lief ein paar Schritte auf und ab, blieb dann stehen. »Offen gesagt, ich habe immer noch Schwierigkeiten, den Tod des Mannes zu verdauen.«
»Meinst du, mir geht es anders?«, fragte Braig.
Die Nachricht vom Tod Rassauers hatte beide überrascht. Die Person, die sie aufgrund eindeutiger Indizien nach tagelangen Bemühungen endlich als Entführer der kleinen Elena identifiziert und zur Fahndung ausgeschrieben hatten, war unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Tödlich verunglückt, weil die Bremsleitung des Autos, mit dem der Mann frühmorgens mit hoher Geschwindigkeit unterwegs war, ganz offenbar manipuliert worden war. Von ihm selbst, um in einer aussichtslosen Situation freiwillig aus dem Leben zu scheiden?
Rassauer musste seine Lage korrekt eingeschätzt haben, der halb gefüllte Benzinkanister in seinem Auto sprach Bände. Nach seinem Gespräch mit Braig am Vortag hatte er offensichtlich schnell begriffen, dass es der Polizei trotz seiner vermeintlich raffinierten Taktik, dem Kommissar freiwillig seine privaten Räume vor Augen zu führen, bald gelingen würde, ihn als Täter im Entführungsfall Elena
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