Schwaben-Wut
Exemplar des neu erstellten Fahndungsfotos aus dem Drucker geschoben hatte, nahm es auf. »Uns bleibt nur eines: Den Kerl möglichst schnell zu fassen. Wenn uns das nicht bald gelingt, ist der Sommer gelaufen.«
»Dann müssen wir wirklich jeden Strohhalm untersuchen, der uns angeboten wird«, seufzte Braig.
Neundorf zeigte sich einverstanden: »Ich werde mich bemühen, keinen Strohhalm zu übersehen. Und wenn ich halb Heilbronn auf den Kopf stellen muss.«
Sie bedankten sich bei Schiek.
Braig holte sich die Telefonnummern der drei Backnanger Zeugen, versuchte, sie zu erreichen. Dreimal vergeblich. Straßenfest, überlegte er. Es waren nur noch wenige Minuten vor sieben Uhr: »Die Leute sind alle außer Haus, feiern. Wie gestern abend, als der Mord geschah.«
8. Kapitel
Die Beschreibung des Verbrechens, dessen Andreas Stecher beschuldigt wurde, beinhaltete eine abscheuliche Gräueltat. Braig überflog die Ausführungen der verschiedenen Protokollanten, ersparte sich die Details. Der Täter hatte sich in einen wahren Rausch sadistischer Gewalt gesteigert. Dass ein Jugendlicher im Alter von gerade 18 Jahren dazu imstande sein könne, hätte Braig gerne verneint – die Unterlagen auf seinem Schreibtisch belehrten ihn eines Besseren. Andreas Stechers Verhalten war blutrünstig.
Begonnen hatte die kriminelle Karriere des jungen Mannes mit der noch relativ harmlosen Bedrohung seiner Mitschüler und einer Lehrerin mit einer Schreckschusswaffe im Klassenzimmer der neuen Schule in Stuttgart, die er erst seit dem Umzug seiner Mutter vor wenigen Wochen besuchte. Es sollte überraschend ein Kurztest geschrieben werden, was aber auf den entschiedenen Widerstand des offensichtlich unvorbereiteten Stecher gestoßen war. Er hatte der Frau die Schlüssel entrissen, die Tür des Klassenraumes abgeschlossen und mit Stühlen verbarrikadiert, dann mit der Pistole zweimal an die Decke geschossen und die Mitschüler samt Lehrerin mehr als eine Stunde lang festgehalten. Anschließend war er geflohen. Schulausschluss und Jugendstrafe auf Bewährung waren die Folge.
Seine nächste Tat mehrere Monate später war grauenvoller. Auf dem Frühlingsfest auf dem Cannstatter Wasen hatte Stecher gemeinsam mit einem 15jährigen Freund zwei 16jährige Mädchen kennengelernt, mit ihnen den ganzen Abend verbracht, mehrere Abenteuer-Bahnen und das Riesenrad besucht, anschließend in zwei Festzelten bis in die Nacht hinein um die Wette getrunken. Kurz nach 23 Uhr waren sie auf die Idee verfallen, angesichts des überraschend heißen Wetters noch ein Bad im nahen Neckar zu nehmen. Am kanalisierten Fluss angelangt, konnte ihnen aber der von Anfang an skeptische 15-Jährige dies letztendlich ausreden.
Stattdessen rannten sie über den Berger Steg ans andere Ufer, versuchten dann in ihrem angetrunkenen Zustand über den Zaun des nahen Mineralheilbades Berg zu klettern, um sich in dessen Wasserbecken zu stürzen. Zufällig hinzugekommene Passanten vereitelten dieses Manöver.
Schließlich kamen sie auf die Idee, mit den kleinen Weihern jenseits der Stadtbahnhaltestelle am Rand des Unteren Schlossgartens vorlieb zu nehmen. Sehr zur Gaudi einiger Passanten, die das wilde Treiben lachend kommentierten und später als Zeugen bestätigten, warfen sich die Vier in die Tümpel. Völlig durchnässt rannten sie dann in die Parkanlagen, tobten dort noch umher, bis Stechers Freund Benjamin Bartle und eines der beiden Mädchen, Simone Heigner, weil sie froren, daran erinnerten, dass sie sich angesichts der späten Stunde auf den Rückweg machen sollten. Beide fanden bei dem mehr und mehr enthemmten Pärchen jedoch kein Gehör, machten sich deshalb nach endlosen Diskussionen allein auf den Weg zur Stadtbahnhaltestelle und fuhren in verschiedenen Bahnen nach Hause.
Was sich dann genau abspielte, ließ sich nicht vollständig rekonstruieren: Stecher und die 16jährige Manuela Eitle zogen sich noch weiter in den Schlossgarten zurück. Dort wurde am nächsten Morgen in einem dichten Gebüsch die völlig verstümmelte Leiche Manuelas gefunden. Das Mädchen war brutal vergewaltigt und ihr Kopf mit unvorstellbarer Gewalt zertrümmert worden.
Nach dreitägiger vergeblicher Suche nach dem Mörder ergab schließlich die Aussage des 15-jährigen Freundes den Hinweis, wer für das grauenhafte Geschehen verantwortlich war. Mehrstündige Verhöre und eine Konfrontation des Täters mit dem toten Mädchen führten schließlich zum Geständnis Stechers, der zugab, angesichts der
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