Schwaben-Wut
geblieben sein. Mittags sind Hunderte von Menschen unterwegs, der Park ist riesengroß, es gibt mehrere Zugänge. Und selbst wenn er das nicht getan hat: Die Zäune sind mehrere Kilometer lang. Irgendwo wird sich da schon eine Stelle finden, wo ein normaler, nicht allzu sportlicher Mann, wie ihr den Kerl beschreibt, rübergeklettert sein kann.«
»Das gleiche gilt für Stecher, falls er hier war.«
»Genau. Sie suchen übrigens noch nach seinen Spuren, obwohl der Boden viel zu trocken ...« Beck hielt mitten im Satz inne, starrte mit großen Augen auf die beiden uniformierten Polizeibeamten, die sich ihnen näherten. »Mein Gott, was wollen diese Vögel hier?«
»Die?«, sagte Braig. »Der Rechte ist der Kollege, der dem Entführer Söhnles die Pistole so clever vor die Nase hielt.«
»Oh mein Gott, jetzt ist mir alles klar!« jammerte Erwin Beck. Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn, drehte sich um, wandte den beiden Beamten seinen Rücken zu. »Leute, erspart mir diesen Anblick: Retterle und Speckmaier. Du erinnerst dich?«
Braig fiel es wie Schuppen von den Augen. Becks neue Brille. Das tagelange Gelächter. Die Überschriften der Boulevard-Presse: Schwabens dümmste Polizisten.
24. Kapitel
Dreißig Minuten nach vier an diesem Morgen entdeckte eine Polizeistreife den gesuchten roten Ford Escort. Ordnungsgemäß abgestellt in einer ruhigen Seitenstraße etwas oberhalb der Bietigheimer Altstadt. Es war ein Zufall, dass den beiden müden, vor sich hin gähnenden Beamten das Auto auffiel, einer jener Zufälle, mit denen man bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit nicht rechnen, auf die man – wie auf einen Lottogewinn vielleicht – nur hoffen darf.
Klaus Euerle, der eine der beiden Polizisten, war gegen Ende der anstrengenden Nachtschicht auf dem Beifahrersitz eingeschlafen und in ein so nervendes Schnarchen verfallen, dass sein Kollege Helmut Kälberer die Regung nicht länger unterdrücken konnte, das Fahrzeug kurz zu beschleunigen, um es sodann umso abrupter wieder zum Stehen zu bringen. Beide waren angegurtet, also konnten die Folgen nicht allzu schlimm ausfallen. Schlagartig fand Klaus Euerle wieder zu sich.
»Ey, was ist los?«
»Einsatz wegen Einbruch. Die Täter türmen gerade.«
»Wo?«
»Hier. Da oben!« Kälberer zeigte auf die Villa links, deren Umrisse hinter dichten Büschen nur zu ahnen waren.
Euerle gurtete sich abrupt los, sprang aus dem Wagen, griff zu seiner Waffe, spurtete über die Straße. Das Haus hinter dem üppigen Grün lag ruhig da, nichts regte sich. Er wartete auf seinen Kollegen, drehte sich um.
Kälberer saß im Wagen, schüttelte sich vor Lachen. »Guten Morgen, der Herr. Aufgewacht?«
In dem Moment sah dieser den roten Escort. Er stand drei Meter vor ihnen. Die Farbe stimmte, das Kennzeichen. Kälberer spurtete zurück, gab die Meldung durch.
Das Landeskriminalamt beauftragte sofort Markus Schöffler, mit einem Kollegen vom Favoritepark, wo sie immer noch nach der dritten Kugel fahndeten, nach Bietigheim zu fahren und den Escort nach etwaigen Spuren zu untersuchen. Gegen sechs am frühen Morgen war es Schöffler klar, dass es in dem Fahrzeug weder zu einer Schießerei noch zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung gekommen war. Zwar fanden sich neben Söhnles Fingerabdrücken auch die einer anderen Person, doch waren sie nicht in der zentralen Datei gespeichert.
»Ein bisher unbescholtener Typ also«, urteilte Steffen Braig, der nur zwei Stunden geschlafen hatte und nach der Benachrichtigung vom Fund des Autos schnell nach Bietigheim geeilt war.
»Sofern sie überhaupt von ihm stammen.«
Das erschwerte die Suche ungemein, da sie über die Identität des Mannes immer noch nicht Bescheid wussten. Sie hatten zwar noch in der Nacht Schiek aus dem Schlaf getrommelt und von ihm in Zusammenarbeit mit drei Augenzeugen aus dem Favoritepark ein Computerbild von dem Kidnapper erstellen lassen, doch für die Zeitungen war es zu spät gewesen. Einzig den Redaktionen der TV-Morgensendungen diente es zum Aufmacher, aber die erreichten erfahrungsgemäß nur wenige Zuschauer.
»Er hat Söhnle also nichts angetan«, meinte Markus Schöffler, »das ist doch die Hauptsache, oder?«
»Im Auto nicht. Aber draußen?«
Schöffler runzelte die Stirn. »Was will der hier? Warum steht das Auto da? Wo sind die hin? Er wohnt wohl kaum in der Nähe, oder? So dämlich kann er kaum sein, dann den Karren hier abzustellen.«
»Ich werde sämtliche Nachbarn hier abklappern, ob sie
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