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Schwaben-Wut

Schwaben-Wut

Titel: Schwaben-Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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der endlich aufgefundene Dolmetscher, dass keine von ihnen unter 18 sei.
    »Die lügt doch!«, schrie Neundorf voller Wut. »Denen wurden Hölle, Tod und Teufel angedroht, falls sie eine andere Aussage wagen sollten.«
    »So geht es uns seit Jahren.« Günther Knödler blieb die Ruhe in Person. »Die Mädchen wurden bereits dermaßen misshandelt, dass keine sich traut, auch nur einen Buchstaben von dem abzuweichen, was gegenüber der Polizei auszusagen man ihnen aufgetragen hat. Eine falsche Bemerkung und die bringen sie um. Wenn die erst wieder in ihrem Heimatland sind, haben wir doch keine Möglichkeit mehr, ihnen zu helfen. Ich wage nicht daran zu denken, was dort abgeht. Russland, Ukraine, Polen, kennen Sie die Verhältnisse, auch die Armut dort?« Er schwieg einen Moment, fuhr dann müde fort. »Natürlich sind die minderjährig, klar, aber keine einzige kommt mit einem korrekten Pass über die Grenze. Die schmuggeln sie bei Nacht und Nebel nach Bayern oder Sachsen und schaffen sie dann von Stadt zu Stadt. Die Häuser sind anonym gepachtet, die Mietverträge von irgendwelchen im Prinzip harmlosen Strohmännern unterschrieben und die einzigen, die wir erwischen, sind ihre Türsteher und Bodyguards, aber das sind auch nur Handlanger, die die wahren Hintermänner oft nicht einmal kennen. An die, die absahnen und die Fäden ziehen, kommen wir nicht ran, ich kann Ihnen die ganze Nacht von unseren Versuchen erzählen.«
    »Oettinger?«, fragte Neundorf.
    »Haben Sie Beweise?« Knödler lachte ein verzweifeltes, gequältes Lachen. »Erwähnen Sie den Namen nicht zu laut, seine Anwälte haben überall Ohren.«
    »Es sind nicht die Drahtzieher allein, die mich anwidern«, sagte Neundorf, »genauso beteiligt sind auch all die vielen feinen Herren, die wir heute Abend erwischt haben. Gibt es nicht genügend volljährige Nutten? Warum brauchen die 15-, 16-Jährige?«
    Knödler schüttelte den Kopf. »15-, 16-Jährige? Ich sehe, Sie haben wirklich wenig Ahnung von diesem Geschäft, liebe Kollegin.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, betrachtete Neundorf mit müden Augen. »Waren Sie schon mal in Tschechien an der Grenze?«
    Neundorf verneinte seine Frage.
    »Fahren Sie hin, möglichst bald. Dort werden Sie etliche der Herren von heute Abend Wiedersehen. In Cheb zum Beispiel, einer Stadt einen Steinwurf von Bayern. Glauben Sie, wegen unserer Aktion heute Abend lassen die sich jetzt davon abhalten, Kinder zu vögeln?« Knödler schüttelte mitleidig lächelnd seinen Kopf. »Nächstes Wochenende schon sind einige von ihnen auf Geschäftsreise. Wohin? Vielleicht nach München, nach Nürnberg, nach Österreich oder nach Prag. Offiziell. Muss ich noch erwähnen, wohin sie wirklich fahren?«
    Knödler fuhr sich durch seine Haare. »Cheb«, sagte er, »fahren Sie hin. Dort vögeln die sich durch. Aber nicht mit 15-, 16-Jährigen! Gott bewahre! Nehmen Sie den nächsten Zug, laufen Sie durch die Straßen dort, überzeugen Sie sich mit eigenen Augen: Dort stehen schon Vier- und Fünfjährige auf der Straße. Und die vornehmen Herren in den dunklen Limousinen mit bayrischen und schwäbischen Kennzeichen suchen sich gemütlich ihre Ware aus. Für jeden Bedarf das passende Angebot. Frühpubertierende 11-Jährige sind Ihnen zu alt? Bitte schön, mein Herr, da haben wir doch eine knackige Achtjährige für Sie. Unbenutzt? Ach so, ich verstehe. Ja natürlich, auch damit können wir dienen. Einen Moment bitte. Unmögliches wird sofort erledigt, Wunder dauern etwas länger.«
    Knödler gähnte leise, lehnte sich müde in seinem Stuhl zurück. »Vier Jahre bin ich jetzt in diesem Dezernat. Sie können sich nicht vorstellen, wie es mich ankotzt. Aber fahren Sie hin, schauen Sie es sich an. Dagegen war das hier heute Abend völlig harmlos.«

33. Kapitel
    Bianca Eitle war auffallend dünn, zeigte ein ausgemergeltes, knochiges Gesicht, eingefallene Wangen, faltige, durchgehend bleiche, fast farblose Haut. Ihr schmächtiger Oberkörper glich dem eines minderjährigen Mädchens, die aus der Schlafanzugjacke ragenden Arme hatten den Umfang der Gliedmaßen eines Kindes. Die Frau war unübersehbar von ihrer Krankheit gezeichnet.
    Steffen Braig stellte sich vor, holte sich einen Stuhl, nahm am Fußende des Bettes Platz. Von den Nachbarn Frau Eitles hatte er erfahren, dass sie im Ludwigsburger Klinikum lag.
    »Sind Sie schon länger hier?«, fragte er, darum bemüht, ein Gespräch zu beginnen, das die Frau nicht zu sehr belastete. Bianca Eitle

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