Schwaben-Wut
nicht«, antwortete Braig, blickte nach draußen zu dem Ast des Baumes, auf dem sich ein winziger, am Hals rot gefärbter Vogel niedergelassen hatte. »Der Kerl scheint unberechenbar. Wir haben immer noch nicht begriffen, nach welchen Kriterien er sich seine Opfer aussucht. Anscheinend geht er vollkommen willkürlich vor, wir können nicht einmal darüber spekulieren, wer der Nächste sein könnte.«
Die Frau schwieg, atmete tief durch. »Ich habe ihn nur einmal im Gefängnis besucht«, sagte sie dann, »ich kann Ihnen nicht helfen, tut mir leid.«
Braig nickte, sah auf seine Uhr. Es war Zeit, er durfte Frau Eitle nicht mehr lange strapazieren. »Benjamin Bartle haben Sie nicht gekannt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Woher?«
»Er ist der Einzige, von dem wir wenigstens ahnen, warum er von Stecher ermordet wurde.«
»Weil er an Manuelas Tod beteiligt war«, sagte Bianca Eitle.
Braig schaute sie überrascht an. »Beteiligt? Wir wissen es nicht. Nein, wir glauben, Stecher fühlte sich von Bartle verraten. Er denkt wohl, Bartle habe ihn bei uns verpfiffen. Aber Greiling und Harf?«
»Greiling?«
Braig nickte mit dem Kopf, verfolgte den kleinen Vogel, der auf dem Ast draußen entlanghüpfte. »Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Stecher und ihm«, sagte er.
Der Vogel klammerte sich in Schräglage an der Seite des Holzes fest, pickte mit seinem spitzen Schnabel auf die Unterseite.
»Sie sind gut«, meinte Bianca Eitle. »Zwischen Vater und Sohn gibt es keinen Zusammenhang?«
Braig riss seinen Blick von dem kleinen Tier vor dem Fenster weg, starrte die Frau überrascht an. »Wie bitte? Was sagen Sie da?«
Bianca Eitle hatte ihre Mundwinkel abschätzig hochgezogen, schaute voller Verachtung zu dem Kommissar auf, sagte kein Wort.
»Sie sprechen von Greiling?« Braig war außer Atem.
»Stechers Vater. Ein neureiches, widerliches Schwein. Macht der Frau das Kind und lässt sie dann allein und ohne finanzielle Versorgung sitzen.«
»Woher wollen Sie das wissen?« Braig hatte es nicht mehr auf seinem Stuhl gehalten, war aufgesprungen, starrte nervös auf Bianca Eitle hinunter.
»Woher?« Die Kranke schüttelte ihren Kopf. »Woher wohl? Von Frau Stecher natürlich. Sie hat es mir selbst erzählt. Ihr Herz ausgeschüttet. Greiling ist Andreas' Vater.«
34. Kapitel
Die Neuigkeit über die Vaterschaft Greilings schlug im Fahndungsstab des Landeskriminalamtes wie eine Bombe ein. Braig hatte noch den ganzen Montagabend versucht, Frau Stecher telefonisch zu erreichen, um sich der Korrektheit der Aussage Bianca Eitles endgültig zu versichern, war jedoch bis in die Nacht hinein erfolglos geblieben. Sowohl zu Hause als auch an ihrem Arbeitsplatz hatte er sie nicht auftreiben können; sie habe sich diesen Montag frei genommen, arbeite aber ab Dienstag in der Spätschicht von 14 bis 22 Uhr, war ihm mitgeteilt worden.
»Auf jeden Fall ist mit dieser Feststellung geklärt, warum Stecher Greiling tötete«, erklärte Katrin Neundorf, »und damit haben wir endlich wenigstens so was wie einen Ansatz zum Verständnis seines Vorgehens. Vielleicht gelingt es uns jetzt, herauszufinden, wen der Kerl als nächsten beseitigen will.«
»Du meinst, er sah seinen Vater als mitschuldig an seiner verfahrenen Situation an?«
»Doch wohl zu Recht, wenn Greiling wirklich sein Erzeuger ist. Wie du erzählt hast, schwamm der Kerl mit seinem Immobilienbüro im Geld, während Frau Stecher sich jeden Pfennig sauer erarbeiten musste, um sich und ihr Kind zu ernähren. Und derweil sie sich mühsam über Wasser hält, schwelgt der Millionär einen Steinwurf entfernt in seinem Wohlstand und markiert den besonders frommen Christen. Gibt es ein besseres Beispiel für charakterloses Verhalten? Ich an Stechers Stelle hätte auch alles andere als Vatergefühle für den Typ empfunden.«
»Warum aber wartete er so lange mit seiner Rache? Wieso ermordete er ihn, anstatt ihn zur Rede zu stellen? Er hätte finanzielle Wiedergutmachung fordern können; soweit ich weiß, ist Greiling juristisch dazu verpflichtet. Wahrscheinlich steht ihm sogar ein Teil des Erbes zu, Frau Carl wird sich freuen. Eine Vaterschaft nachzuweisen, ist heute im Zeitalter der Genanalysen weiß Gott keine Staatsaffäre mehr.«
»Offensichtlich kam Stecher so in Rage über das charakterlose Verhalten seines Erzeugers, dass er rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich war. Anders kann ich mir seine Morde nicht erklären.«
Am frühen Morgen des Dienstag meldeten die auf der
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