Schwätzen und Schlachten
das wollte ich sagen, David ist ein schwarzes Loch und saugt alle Lebensenergie von mir weg und ich kollidiere dann immer mit mir selbst und je öfter ich mit mir zusammenpralle, desto öfter pralle ich mit mir zusammen, ist eine Kettenreaktion, es zermalmt mich in immer schnellerem Tempo. –
Sicher, so kann man das auch sehen, ein schwarzes Loch produziert auch die Planeten, aber was ist dabei gekonnt, wenn sie sich gleich darauf alle gegenseitig wieder vernichten? Das ist doch ein Nullsummenspiel. Ich würde sagen, er erzeugt sie nur, um sich dann in diesen Staubmantel –
Dann eben Staubring, diese supermassiven schwarzen Löcher verbergen sich hinter einem dichten Staubring und so macht es auch David, aber ich habe keine Ahnung, was er dahinter treibt –
Richtig, dann lieber die Patchworkdecke, da habe ich ihn zumindest immer im Blick. Bloß brauche ich eben kurz eine Auszeit, ich komme bei dir vorbei. Ich sage nicht gleich , weil bis man bei dir draußen ist, vergeht in Böhmen ein Viertel –
Auch wieder wahr, endlich genug Zeit, auf dem Weg den Schal ordentlich umzuwickeln, also, auf gleich, ja? –
Wo musst du denn hin? –
Aha. Und dauert das lange? –
Vier Stunden, ach so, ja dann geht das heute natürlich nicht, gut, Tschüss! –
Nein nein, gar nicht schlimm, dann gehe ich ein bisschen meine Oma plagen, das hält sie frisch. –
Richt ich ihr aus, also. –
Ja, richte ich ihm aus. Also.
Frederik legte auf und ging in den Flur und holte seine Schuhe, sehr gut, sagte er, während er sich auf den Boden setzte und sie überstreifte, Simon muss gleich weg, ist sicher vier fünf Stunden unterwegs, sagt er. In einer Stunde bin ich dort, ich zieh mir den Text aus dem Computer und komm wieder zurück, du kannst ja in der Zwischenzeit was kochen.
Ach nein, keine Lust, David streckte sich und gähnte, er schaute auf die Uhr, wir treffen uns im Tante , in zwei Stunden. Bis dahin hab ich hier auch noch einen guten Stapel abgearbeitet. Oder ich näh was, gute Idee.
Von mir aus, Frederik schlüpfte in seinen Mantel und klemmte sich den Schal unter den Arm, bis gleich.
Vergiss diesmal nicht, abzuschließen, rief ihm David nach, sonst denkt er noch irgendwann, er wird verrückt.
Ich denke, wir denken, er ist verrückt.
Ja, aber er hat ja keine Ahnung davon, lassen wir ihn also in dem Glauben. David war aufgestanden und schaltete die Musik wieder lauter, bis dann.
Frederik war schon an der Tür, Stanjic drehte die Musik wieder runter, was solltest du mir übrigens ausrichten?
Ach so, er bucht dir noch ein paar Stunden Nähkurs, für Fortgeschrittene, weil es dir so guttut, deiner Entwicklung. Bis dann! Er zog die Tür hinter sich zu und David hörte ihn die Treppe hinunterpoltern.
Macht ihr euch nur über mich lustig, sagte er zufrieden vor sich hin, er schaltete die Musik wieder lauter und sang macht ihr euch nur über mich lustig in repetitiver Folge zur Glass’schen Begleitung.
99. Wer nackig ist, kann nichts mehr ausziehen
Mit schnellen Schritten naht das Weihnachtsfest, sagte David, Frederik fand das widerlich.
Man kann das auch individueller ausdrücken, sagte er erbost, man muss nicht immer mit vorgefertigten Modulen aus schlechten Büchern arbeiten.
Wieso eigentlich plötzlich wieder David und Frederik, sagte mein Lektor, wir hatten das doch geklärt: keine Vornamen! Da kann man ja sonst gleich die ganze Anonymisierung in den Orbit schicken.
Dass du immer gleich so radikal werden musst, begehrte ich auf, das ist eine Aggressivität bei dir, die solltest du mal bearbeiten.
Blödsinn. Du jedenfalls kehrst schleunigst zurück zu Stanjic und Sydow, sonst heißt er fortan Mathias und Simon Glaser wie im wirklichen Leben, nämlich –
Schon gut, knurrte ich, ich habs verstanden.
Seit David Stanjic sich dank dem Nähkurs wieder bester Laune erfreute, versackte sie bei Sydow ins Bodenlose, er behauptete, es läge an seinem Weihnachtsmannjob, aber Stanjic vermutete insgeheim, es gründete eigentlich in Sydows gespaltenem Verhältnis zu Verwandtschaft und Familientandaradei. Er konnte das aus eigener, wiewohl ja ganz anders gearteter Erfahrung absolut begreifen. Bei ihm jedoch mündete das in der totalen Idealisierung, er freute sich enorm, aufs Land, auf Weihnachten, auf die Verwandtschaft und auf die magische Mischung von allen dreien.
Du bist hoffnungslos naiv, sagte Sydow.
Und du bist hoffnungslos pessimistisch.
Ich bin realistisch.
Glaser klopfte mit der Klarinette auf seinen
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