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Schwanengrab

Schwanengrab

Titel: Schwanengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schwarz
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– in Zeitlupe und mit Standbild. Ich ging zu ihm, hörte die anderen gar nicht mehr. Er legte den Arm um meine Schulter und ich wusste, es war etwas Schreckliches geschehen. Er führte mich nach draußen auf den Flur. Einer der Cops hatte noch nicht mal die Tür richtig zugezogen, da sagte mir Mr Jones schon, was vorgefallen war. Sam! ,sagte er – er nannte mich normalerweise immer nur Samantha –, es ist etwas Furchtbares passiert. Ich begann zu zittern, obwohl ich noch gar nichts Genaues wusste. Deine Mutter hatte einen Autounfall! Ich wollte nicht, dass er weitersprach. Ich wollte den Film anhalten. Auf Stopp drücken und zurück zu meinen Freunden gehen. Es war ein schwerer Unfall. Er sprach einfach weiter und seine Stimme klang auf einmal ganz anders als sonst. Ich hatte Angst, er würde jeden Moment in Tränen ausbrechen. Samantha, deine Mutter ist tot , sagte er schließlich.«
    Ich sprach nicht weiter. Mein Hals kratzte so sehr. Der letzte Satz brannte in meiner Kehle wie Feuer. Ich versuchte, dieses Gefühl wegzuschlucken, bevor ich losheulen würde.
    Christophs Hand auf meiner Schulter hatte ich gar nicht bemerkt. Doch jetzt spürte ich seine Umarmung. Es war mir peinlich und zugleich auch nicht. Am liebsten hätte ich meinen Kopf an ihn gelehnt, mein Gesicht bei ihm vergraben. Aber dann hätte ich losgeheult wie ein Schlosshund. Das wollte ich ihm und mir ersparen. Ich sprang auf.
    »Tja ... ähm. Wir müssen wieder«, stammelte ich. Plötzlich war es mir unangenehm, dass ich es ihm erzählt hatte, und trotzdem tat es gut. Er sah mich nur nachdenklich an, sagte nichts, nickte nur stumm und ging dann mit mir zurück in Richtung Theatersaal.
    »Ich ... also ... es tut mir leid!«, sagte ich, bevor er rechts abbog und ich nach links ging.
    »Was?«, fragte er leise.
    »Dass ich dich mit meiner Story vollgequasselt habe.« Ich konnte ihn nicht ansehen.
    »Nein, das ist doch okay«, sagte er schnell. »Ich bin froh ...« Er stockte und kam noch einen Schritt näher. Eigentlich stand er schon ganz schön nah bei mir. Ich spürte seinen Blick und sah ihn an. Er hatte echt tolle Wimpern.
    »Uihuihuih!«, schrie Nessi, als sie an uns vorüberkam. Wir sprangen fast zeitgleich einen Schritt auseinander. »Oh! Hab ich die Turteltäubchen gestört?«, fragte sie mal wieder so laut, dass es der Kurz im oberen Stockwerk bestimmt auch noch hören konnte. »Wie küsst Herr Streber denn so?« Sie kicherte, hakte sich bei Kerstin unter und verschwand in Richtung Theatersaal. Die anderen Mädchen folgten ihr gackernd. Warum mussten sie eigentlich immer im Pulk aufkreuzen?
    »Ich muss los.« Mein Gesicht brannte.
    »Sam!«, rief er mir nach. Ich drehte mich um. »Denk morgen an die Briefe!«
    Kopfschüttelnd lächelte ich ihm zu. »Das ist nicht mehr nötig. Ich sehe vielleicht so aus wie sie. Aber ich bin nicht Veronika. Und mir passiert auch nichts. Außer vielleicht, dass ich den nächsten Mathetest vergeige, wenn du mir nicht weiterhin Nachhilfe gibst.«
    Er fing an zu lachen. »Alles klar! Dann bis nachher?«
    »Die Krähe hat gedroht, es könnte heute länger dauern. Wahrscheinlich hofft sie, ich male das Bild fertig.«
    »Typisch Krähe! Schade. Und morgen? Treffen wir uns nach der Schule bei dir?«
    »Ja!«, sagte ich. »Aber es geht erst später. Ich habe einen wichtigen Termin. Um sechs bin ich zu Hause!«
    Erst jetzt fiel mir auf, dass er wieder keinen Pullunder trug, sondern ein langärmeliges Sweatshirt. Dazu passend hatte er sich ein blau kariertes Beduinentuch lässig um den Hals gebunden.
    Ich drehte mich um und eilte zum Theatersaal. Die Probe hatte schon längst begonnen.
    »Na endlich, Samantha!«, begrüßte mich die Krähe ungeduldig. »Ich hatte schon befürchtet, du wärst doch krank geworden. Wir haben bereits angefangen.«
    »Entschuldigung!«, strahlte ich sie an. »Ich bin aufgehalten worden.«
    »Na! Dann jetzt aber schnell ...« Sie hob ihre Augenbrauen und bedachte mich mit einem strengen Blick. Ich schlüpfte durch den dicken Samtvorhang nach hinten und summte leise vor mich hin, als ich die Farbtöpfe aufmachte.
    Die Arbeit ging mir leicht von der Hand. Das Gespräch mit Christoph hatte mir gutgetan. Endlich wusste ich, was er für Veronika empfunden hatte und dass es vorbei war. Ich lächelte, als mir klar wurde, warum mir das so wichtig war, tauchte meinen Pinsel in das Wasserglas und zauberte einen traumhaften Sonnenuntergang über einem glitzernden Waldsee auf die Leinwand.
    »OH

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