Schwarz
bestimmt um die drei Millionen Euro hinblättern. Aber der Gedanke konnte einen Mann nicht übermäßig erwärmen, der die Lebensmonate, die ihm noch blieben, an zwei Händen abzählen konnte.
Der Frühling stand ganz im Zeichen der Arbeit im Garten: Er hatte das Laub geharkt, den Rasen ausgebessert, die Bretter am kastenförmigen Bootssteg angebracht, die Boote zu Wasser gelassen und den Frühjahrsputz erledigt. Mit allem kam er allein klar, aber um die Blumenbeete durfte sich Krisse kümmern, eine Gärtnerin aus Soukka, mit der er kürzlich sogar schon im Schlafzimmer Bekanntschaft geschlossen hatte. Schließlich war er seit fünf Jahren Witwer. Die vertrauten Handgriffe gaben ihm das Gefühl der Sicherheit, er wollte weiter seinen alltäglichen Verrichtungen nachgehen und ein einfaches, ruhiges Leben führen, bis das Ende kam. Um die Regelung der praktischen Dinge brauchte er sich keine Sorgen mehr zu machen: Das Testament war abgefasst, der Platz für das Grab, der Bestattungsunternehmer, der Grabstein und der Ort der Trauerfeier ausgewählt.
Als sein Vater vor zwanzig Jahren erfahren hatte, dass er an Krebs sterben würde, hatte Otto Mettälä beschlossen, was er tun würde, wenn er einmal in dieselbe Lage käme. Er würde eine Liste all jener Dinge aufstellen, von denen er in seinem Leben nur geträumt hatte, und dann eins nach dem anderen verwirklichen, bis die Zeit um war. Doch jetzt, da der Tod jeden Tag vor der Tür stehen konnte, fand er den Gedanken albern. In seinem Alter war ihm längst klar geworden, dass es nicht wichtig war, etwas zu tun, sondern zu leben.
Mettälä schaute hinunter auf die Meeresbucht und sah einen Graureiher, der in seinem schwerfälligen Flugstil durch die Luft schwankte. Das war eine der vielen Arten, die sich heutzutage an der Küste rasch ausbreiteten. Die Natur veränderte sich derzeit rasant,Fisch fing man hier so gut wie gar nicht mehr, dass Meer vereiste im Winter nicht richtig, und die Stürme zerzausten die Schären Jahr für Jahr heftiger. Er drehte sich um, als er sah, wie sich an der Seite etwas bewegte. Vielleicht ein Rabe oder eine Amsel.
Jetzt aber an die Arbeit, bevor die Gäste kamen! Mettälä stieg die etwa zwanzig Meter lange Holztreppe zur Sauna hinunter. Das Grundstück lag am Hang und fiel zum Ufer hin so steil ab, dass er damals eine Sondergenehmigung einholen musste, um die Sauna auf den einzigen geeigneten Felsabsatz bauen zu können, nur ein paar Meter vom Meer entfernt. Ein jüngerer Mann könnte garantiert direkt von der Saunaterrasse ins Wasser springen.
Dank des Hochdrucks ließ sich der Saunaofen, der die Wärme speicherte, leicht anzünden, mit einem Rauschen loderten die Flammen schon beim ersten Streichholz. Im Waschraum legte er den Plastikrost auf den Fußboden, stellte die Saunahocker richtig hin und vergewisserte sich, dass im Vorraum Getränke im Kühlschrank bereitstanden. Als Nächstes musste er den Braten in den Ofen schieben und die Kartoffeln waschen. Möglicherweise blieb Kati Soisalo mit ihrem Bekannten doch über Nacht, vielleicht hatten sie nach den Gesprächen, dem Abendessen und der Sauna keine Lust mehr, noch nach Helsinki zurückzufahren. Vor allem, wenn er den Gästen eifrig Drinks, Wein zum Essen und Bier nach der Sauna aufschwätzen würde. Es war zwar traurig, aber wahr, dass er in letzter Zeit kaum noch Besuch bekam. Der größte Teil seiner Freunde schien irgendwohin verschwunden zu sein, nachdem er mit der Pensionierung seine einflussreiche Position eingebüßt hatte. Allerdings reizte ihn leeres Geschwätz mit flüchtigen Bekannten auch nicht mehr sonderlich.
Mettälä tat Kati Soisalo gern einen Gefallen. Kati ahnte wohl kaum, wie sehr er ihre Zusammenarbeit bei Fennica genossen hatte. In einer von alten Männern dominierten Firma der Waffenindustrie war es ein Vergnügen gewesen, mit einer jungen Kollegin arbeiten zu können. Auf Dienstreisen wechselten die Begleiter je nach Projekt, aber einen Juristen brauchte man bei jeder Geschäftsoperation. Er hatte viele gute Erinnerungen an ihre gemeinsamen Reisen. Es amüsierte ihn immer noch, wie man Kati damals auf dem Flughafen vonSeoul eine Frau als Begleitung angeboten hatte. Den Leitern ausländischer Unternehmen stellte man in Südkorea zuweilen eine Begleiterin für die Dauer ihres Besuchs, und ihre Gastgeber waren nicht darauf gefasst gewesen, dass der Chefjurist von Fennica eine Frau war.
Kurz nachdem Kati Soisalo und der Mann von der UNO gegangen waren, hatte
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