Schwarze Engel
Laufen über unsere Walkie-talkies Verstärkung angefordert. Diese Funkdurchsagen hetzten uns die Medien auf den Hals – Hubschrauber, Reporter, alles, was dazugehört.«
»Sie haben ihn erwischt, stimmt’s? Ich kann mich noch erinnern.«
»Wir haben ihn fast bis nach Oakwood gejagt. Schließlich fanden wir ihn in einem verlassenen Gebäude, einem Fixertreff. Die Junkies machten sich aus dem Staub, nur er blieb drinnen. Wir wußten, er hat eine Kanone und hat schon mal auf uns geschossen. Wir hätten also reingehen und ihn einfach umnieten können, und kein Mensch hätte uns lange Fragen gestellt. Aber Frankie ging als erster rein und überredete den Jungen rauszukommen. Es waren nur er und ich und der Junge da drinnen. Kein Mensch hätte erfahren oder gefragt, was genau passiert war. Aber Frankie wollte das nicht. Er sagte dem Jungen, er wüßte, das mit der Frau in dem Jaguar wäre ein Unfall gewesen, er hätte sie nicht umbringen wollen. Er machte ihm klar, er hätte noch eine Chance im Leben. Fünfzehn Minuten vorher hatte der Junge Frankie umzubringen versucht, und jetzt versuchte Frankie dem Jungen das Leben zu retten.«
Bosch hielt einen Moment inne, rief sich die Szene in dem leerstehenden Haus in Erinnerung.
»Schließlich kam der Junge aus einem Schrank raus, mit erhobenen Händen. Die Waffe hatte er noch in der Hand. Es wäre so einfach gewesen … und so richtig. Schließlich hätte Frankie fast eine Kugel abbekommen. Aber er ging einfach zu dem Jungen, nahm ihm die Waffe ab und legte ihm Handschellen an. Ende der Geschichte.«
Entrenkin dachte eine Weile nach, bevor sie antwortete.
»Was Sie damit sagen wollen, ist also: Weil er einen Schwarzen verschont hat, den er problemlos hätte erschießen können, hat er fast zehn Jahre später nicht versucht, einen anderen Schwarzen zu ersticken.«
Bosch schüttelte stirnrunzelnd den Kopf.
»Nein, das will ich damit nicht sagen. Ich will damit nur sagen, daß ich bei dieser Gelegenheit einen Einblick in den Kern von Frank Sheehans Wesen erhielt. Und aus diesem Grund weiß ich auch, daß diese Harris-Geschichte Unsinn ist. Er hätte diesem Kerl nie Beweise untergeschoben, ihm nie eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt.«
Er wartete, daß sie etwas sagte, was sie aber nicht tat.
»Und ich habe nie gesagt, daß der Carjacker schwarz war. Das hatte nichts damit zu tun. Das ist nur etwas, was Sie selbst in die Geschichte hineingelegt haben.«
»Ich glaube, es ist etwas, das Sie ganz bewußt ausgespart haben. Wäre der Junge in dem leerstehenden Haus weiß gewesen, hätten Sie vielleicht nie in Erwägung gezogen, womit sie möglicherweise ungestraft davongekommen wären.«
Bosch sah sie lange an.
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Also, es bringt nichts, darüber lange Worte zu verlieren. Sie haben nämlich noch etwas weggelassen, oder nicht?«
»Was?«
»Daß Ihr Freund Sheehan ein paar Jahre später von seiner Waffe Gebrauch gemacht hat. Und einen Schwarzen namens Wilbert Dobbs erschossen hat. Auch an diesen Fall erinnere ich mich.«
»Das war eine andere Geschichte und ein Fall von berechtigtem Schußwaffengebrauch. Dobbs war ein Mörder, der gegen Sheehan die Waffe zog. Er wurde von der Polizei, von der Staatsanwaltschaft, von allen rehabilitiert.«
»Aber nicht von einem Geschworenengericht. Das war einer von Howards Fällen. Er hat Ihren Freund verklagt und gewonnen.«
»Das war die reinste Verarschung. Der Fall kam ein paar Monate nach der Rodney-King-Geschichte zur Verhandlung. Damals bestand in Los Angeles nicht der Hauch einer Chance, daß ein weißer Cop, der einen Schwarzen erschossen hatte, vor Gericht freigesprochen würde.«
»Passen Sie auf, Detective. Sie verraten zuviel über sich selbst.«
»Was ich gesagt habe, ist die Wahrheit. Und wenn Sie ehrlich sind, wissen auch Sie, daß es die Wahrheit ist. Woran liegt es eigentlich, daß die Leute jedesmal, wenn die Wahrheit unbequem wird, sofort mit dieser Rassentour ankommen?«
»Lassen wir dieses Thema lieber, Detective Bosch. Sie haben Ihren Glauben an Ihren Freund, und das bewundere ich. Wir werden ja sehen, was passiert, wenn der Anwalt, der den Fall von Howard erbt, damit vor Gericht geht.«
Bosch war über den Waffenstillstand froh und nickte. Die Diskussion war ihm unangenehm gewesen.
»Was haben Sie sonst noch einbehalten?« fragte er, um das Thema zu wechseln.
»Das war mehr oder weniger schon alles. Ich habe den ganzen Tag hier gesessen, um im wesentlichen nur diese
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