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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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garantieren, dass er euch eine Audienz gewährt.«
    »Das lasst unsere Sorge sein«, brummte der Zauberer.
    Die Kreatur schmatzte und sprang zurück in den Gang. Abraham und Millepertia folgten ihm. Lukas hätte schreien mögen, als er sah, was das bedeutete. Der zweite Ghul nämlich blieb zurück, blähte seine Nasenlöcher und schnupperte abermals. Argwöhnisch trat er an den Schädelturm heran und sah sich um.
    Lukas handelte, bevor ihn seine Furcht endgültig übermannte. Hastig schlich er an der Wand entlang zum Tunnel und schlüpfte unbemerkt von dem zweiten Ghul hinein. Geschafft! Wenn Abraham von Worms und Millepertia dachten, er würde hier allein mit einem Menschenfresser zurückbleiben, dann hatten sie sich getäuscht. Außerdem würde er so die Geheimnisse, die sie hoffentlich in Erfahrung brachten, aus erster Hand mit anhören.
    Ungesehen folgte Lukas Millepertia, Abraham und dem Ghul durch den klaustrophobisch engen Tunnel und war froh, dass der andere Leichenfresser erst nach längerer Inspektion der Höhle nachrückte. Als er es jedoch tat, war er erschreckend schnell, und Lukas konnte sein Glück kaum fassen, als sie in genau diesem Augenblick ein zweites Gewölbe erreichten und er dem schnüffelnden Verfolger im letzten Augenblick ausweichen konnte.
    Doch seine Erleichterung währte nur kurz. Der beißende Verwesungsgestank in diesem Raum raubte ihm fast den Atem. Vor ihnen hockten drei weitere Ghule, die an Arm- und Beinknochen knabberten, die ohne Zweifel menschlich waren. Es hingen noch Fleischfetzen und Kleiderreste an den Gliedmaßen. An einem kleineren Arm schimmerte matt ein Armband aus rosafarbenen Plastikperlen, wie kleine Mädchen sie zur Besiegelung ihrer Kinderfreundschaften austauschten. Lukas wurde übel.
    Lauernd sahen die Leichenfresser auf, und der Ghul hinter ihnen gesellte sich zu seinen Kumpanen. Der andere führte sie weiter in die Tiefe – durch Gänge, über ausgetretene Treppenstufen und vorbei an von Kerzenlicht erhellten Nischen mit Kerzenständern aus Totenköpfen. Da wehte ihnen aus einem dunklen Loch im Boden eine feuchtwarme, überaus wohlriechende Luft entgegen, die inmitten des allgegenwärtigen Gestanks besonders befremdlich wirkte.
    »Was ist das für ein Duft?«, wollte Millepertia wissen.
    »Ah. Gefällt er dir? Unser neuestes Produkt.« Der Ghul blieb kurz stehen und fletschte grinsend die Zähne. »Da unten kochen wir Seife. Feinste Seife aus frischen Kinderknochen. Keines älter als vier Jahre, dafür sorgen wir schon.« Er stieß ein hundeartiges Bellen aus, das offenbar so etwas wie ein Lachen darstellte. »Mit ihr bekommt man sogar Dämonenmale ab. Interessiert?«
    »Nein.« Lukas hörte die mühsame Beherrschung in Millepertias Stimme.
    Der Ghul führte sie durch weitere Tunnel und Stollen bis zum Eingang einer großen Halle, die über und über mit Kerzen beleuchtet war. Entsetzt riss Lukas die Augen auf – das komplette Interieur bestand aus Menschenknochen! Abertausenden von Menschenknochen. Die Wände des Saals waren bis hoch zu einer umlaufenden Knochengalerie mit Schulterblättern getäfelt. Davor standen Vitrinen aus Oberschenkelknochen. Und über ihnen, an der Saaldecke, hingen lange Girlanden aus Ellen- und Speichenknochen, die bis zu einem großen, siebenarmigen Lüster reichten, der aus scheinbar allem bestand, was ein menschliches Skelett herzugeben hatte. Lukas schlich hinter Ghul, Zauberer und Hexe her und bemerkte erst jetzt, dass der komplette Hallenboden von geometrischen Mosaiken überzogen war, die die Ghule aus Tausenden von Fingerknöchelchen zusammengesetzt hatten. Erst jetzt fiel sein Blick auf die Stirnseite der Halle, wo sich ein gut vier Meter hoher Knochenthron erhob, der mit Schädeln unterschiedlicher Größe verziert und von Kerzenlicht beleuchtet war. Rechts und links an den Saalwänden standen jeweils zwei kräftige Ghule mit besonders langen Krallen Wache.
    Ihr Führer brachte Abraham und Millepertia bis zur Mitte der Thronhalle und wies sie an, dort zu warten. Dann huschte er auf allen vieren durch ein knöchernes Portal unterhalb der Galerie, dessen Rundbogen von zwei aufgerichteten menschlichen Skeletten gebildet wurde. Stille kehrte ein, die allein von dem Hecheln der Ghulwächter durchbrochen wurde.
    Um sich abzulenken, schlich Lukas unsichtbar zu einer der Knochenvitrinen und betrachtete die auf mehrere Schalen verteilte Auslage. Batterien? Aber was sollten die Drähte? Schockiert fuhr er zurück. Das waren

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