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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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ihn beschlich ein Anflug von Wehmut. Er hatte hier in Heidelberg zweieinhalb Jahre seines Lebens verbracht. Eine Zeit, die ihm im Rückblick fast ruhig und angenehm erschien. Natürlich, auch hier gab es bis heute Menschen, denen er nicht begegnen wollte. Bei mindestens dreien von ihnen hatte er noch Schulden, außerdem lebten hier zwei stinksaure ehemalige Kommilitoninnen. Ob sie inzwischen ahnten, warum er sich mit ihnen eingelassen hatte? Hoffentlich nicht.
    Früher hatte er dem Ganzen eine gewisse Komik abgewinnen können. Doch jetzt war es ihm, als habe er damals etwas verspielt. Er seufzte. Ja, er wusste inzwischen, dass jedes Handeln spätestens nach dem Tod Konsequenzen hatte. Doch trotz der gefährlichen und in jeder Hinsicht unwirklichen Geschehnisse der vergangenen Tage entsetzte ihn die Vorstellung seltsamerweise nicht sonderlich. Stattdessen zog er aus dem Wissen darum eine seltsame Befriedigung. Fast so, als habe er all die Jahre bloß darauf gewartet, dass sich der Schleier heben und ihm die Wahrheit hinter den Dingen offenbaren würde. Die Frage war nur, was er jetzt mit diesem Wissen anfangen sollte.
    Unwillig löste er sich von der Scheibe und stiefelte mit den Tüten ins Wohnzimmer, wo ihn Millepertia erwartete. Beim Anblick der Hexe hielt er verblüfft inne. Sie wirkte deutlich ausgeruhter und hatte sich während seiner Abwesenheit die verbrannten Haare abgeschnitten. Sie reichten ihr nur noch bis knapp zu den Schultern, und die Veränderung stand ihr gut.
    »Was starrst du mich so an?« Ihre grünen Augen funkelten misstrauisch.
    »Es ist … Nichts.« Er räusperte sich und warf die beiden Plastikkärtchen mit den elektronischen Strichcodes auf den Wohnzimmertisch.
    »Hast du diese CampusCards gestohlen?«
    »Meine Güte. Ja, habe ich«, antwortete er gereizt. »Wen interessiert’s?« Wie stellte es diese Hexe bloß an, dass er wegen einer solchen Lappalie plötzlich ein schlechtes Gewissen bekam?
    Er packte die Tüte mit den Lebensmitteln aus, unter denen sich auch
die
Heidelberger Spezialität schlechthin befand: Studentenküsse, in einer roten Schachtel. Eine Köstlichkeit aus Schokolade, Nougat und Waffeln, die er eigentlich für Millepertia mitgebracht hatte. Jetzt aber warf er statt der Schachtel eine Boulevard-Zeitung auf den Tisch, auf der in großen Schlagzeilen »Seltenes meteorologisches Phänomen: Froschregen über Staufen« stand. Sie nahm die Zeitung an sich und starrte das Foto eines von Fröschen überzogenen Straßenzuges an.
    »Die Unibibliothek hat noch bis neunzehn Uhr geöffnet«, erklärte er kurz angebunden und kramte aus der zweiten, größeren Tüte einige neue Kleidungstücke hervor. Darunter waren zwei T-Shirts, Boxershorts und einige Dinge aus der Drogerie. Beiläufig reichte er Millepertia eine frische Bluse und eine neue Cordjacke. »Hier, damit wir nicht wie die Iltisse stinken.«
    Sie nahm die Kleidungsstücke verblüfft entgegen, und er seufzte leise. Appartementmiete, Einkäufe sowie Sprit und Bleiersatz für ihre Limousine hatten inzwischen den Großteil des Geldes aufgezehrt, das er dem Sachsen abgenommen hatte. Der Rest würde höchstens noch für eine weitere Tankladung reichen. Wenn überhaupt. Allmählich sollte er Abraham daran erinnern, etwas von seinem Vermögen aufzutreiben. Außerdem spielte die Zeit gegen sie. Allerdings schien er im Augenblick der Einzige zu sein, der dieser Ansicht war, denn zumindest Millepertia wirkte nicht, als habe sie es eilig. »Also«, setzte er erneut an, »wir haben noch gute vier Stunden Zeit, um der Bibliothek einen Besuch abzustatten.« Er zog die Jacke und sein leicht muffig riechendes Hemd aus und stand nun mit nacktem Oberkörper da. Kurz überprüfte er den Verband über der Bisswunde, dann streifte er sich eines der frischen T-Shirts über. »Abraham bekommen wir locker mit dem Tarnumhang ins Gebäude. Wir beide sollten uns allerdings vorsichthalber mit den Unterschriften hinten auf den Cards vertraut ma…« Er blickte verwundert zu der leeren Couch hinüber, auf der der Zauberer noch bis vor drei Stunden wie ein Toter geschlafen hatte. »Wo ist Abraham überhaupt?«
    Millepertia antwortete nicht. Sie hielt noch immer ihre neuen Kleidungsstücke in der Hand und starrte ihn an. Lukas zog das T-Shirt endgültig über die Brust. »Ist was?«
    »Nein, was soll schon sein?«
    Irrte er sich, oder huschte über das Gesicht der Hexe ein Anflug von Röte?
    Hastig wandte sie sich ab und deutete in ihrer üblichen

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