Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Obergeschoss hinab und stürmten in die schwülstig eingerichteten Bildersäle mit den vielen nackten Frauen.
Millepertia sah sich misstrauisch um. »Ist es nicht etwas gefährlich, zwischen all den Aktgemälden ein Männerbild aufzuhängen?«
»Ohne jeden Zweifel«, erklärte Lukas. »Aber was ist mit dem Saal, in dem die besiegten Rivalen ausgestellt sind?«
Millepertia nickte, legte Abraham auf eine mit rotem Stoff überzogene Chaiselongue und warf den Tarnmantel über ihn. Keinen Augenblick zu spät, denn in diesem Moment war schräg hinter ihnen ein Knurren zu hören.
Lukas wirbelte herum und entdeckte einen schlanken Schatten mit Pantherkopf, scharfen Vorderkrallen und blitzenden Reißzähnen, der mit seinem Schlangenleib die Wand emporkletterte. Verdammt, diese Tatzelwürmer waren so lang wie eine Königsboa! Ohne zu überlegen, spannte er den Hahn und schoss. Gerade noch rechtzeitig, denn das bizarre Ungeheuer sprang ihn in ebenjenem Augenblick an, als der Knall ertönte. Die Freikugel durchschlug den Katzenschädel, und dunkles Blut spritzte gegen die Aktgemälde. Der Halbdrache stürzte zu Boden und rührte sich nicht mehr.
»Schnell jetzt!«, kommandierte Millepertia. Gemeinsam rannten sie in den Nachbarsaal und sahen sich angestrengt zwischen den Porträts und Bildern der fremden Zauberer um. Ein weiterer Tatzelwurm huschte hinter ihnen in den Saal und stürzte sich auf sie. Lukas schoss diesmal aus der Hüfte, und auch der Raubkatzenschädel dieser Kreatur zerplatzte in einer Wolke aus Knochen und Blut. Panisch griff er zu Kugeln, Pulverhorn und Stopfer, um die Muskete erneut zu laden – als er die Kamera an der oberen Raumdecke entdeckte. Er folgte der Richtung des Objektivs und fand endlich das gesuchte Bild. Agrippas magisches Gemälde war nur wenig größer als ein DIN-A 4 -Blatt.
»Mille, da vorn!«
Abermals huschte einer der schwarzen Tatzelwürmer in den Raum, sprang an den Gemälden empor und schlängelte sich an der Decke entlang auf sie zu. Lukas, der noch immer damit beschäftigt war, eines der Musketenrohre zu laden, brüllte auf – doch zu spät. Die Katzenchimäre sprang zu ihm herab und schlug ihm fauchend die Reißzähne in den Arm. Unter Schmerzen stolperte er nach hinten, doch schon war Millepertia heran, packte den Tatzelwurm am Schwanz und schleuderte ihn wie ein Stück nasser Wäsche zu Boden. Das Ungeheuer kreischte auf, wickelte seinen Schlangenleib um ihren Oberkörper und schnappte zu. Doch die Hexe hielt dagegen und umwickelte den Hals des Ungeheuers mit ihren Pflanzensträngen.
Zitternd und mit blutigem Unterarm lud Lukas die Muskete weiter durch, während Millepertia den Tatzelwurm mit großer Kraftanstrengung erwürgte. Im Korridor waren bereits neuerliche Kratz- und Schabelaute zu hören.
»Wie viele von diesen Viechern kommen denn noch?« Lukas verzichtete darauf, auch das zweite Musketenrohr zu laden. Stattdessen stolperte er zur Gangtür und warf sie zu, während Millepertia ihren Gegner mit einem angewiderten Laut von sich schleuderte. Nur wenige Sekunden später schlug von außen ein schwerer Körper gegen den Holm und kratzte über das Holz.
Lukas ignorierte die Laute, wandte sich dem magischen Bild zu und wollte darauf schießen, doch dann hielt er inne. Verdammt! Der Magier hatte das Bild zweifelsohne mit Panzerglas gesichert, denn eine der verfluchten Kugeln, die Lukas eben auf die Tatzelwürmer abgefeuert hatte, steckte in der Scheibe, die mit spinnwebförmigen Rissen übersät war.
Millepertia stürzte an ihm vorbei, drückte ihre Rankenarme gegen die Glasfläche und keuchte, als sich feinste Johanniskrauttriebe zwischen die Risse drängten und sie weiteten. Es knirschte, und mit einem platzenden Laut flog die halbe Scheibe aus dem Rahmen. Millepertia nahm das Bildnis mit schadenfrohem Gelächter von der Wand – als ein greller Lichtblitz in ihren Hartheukörper einschlug. Funken stoben in Nackenhöhe auf, sie zuckte wie unter spastischen Krämpfen, und einige der gelben Blüten ihres Haares gerieten in Brand. Röchelnd klappte sie zusammen. Das Gemälde fiel zu Boden.
Lukas ruckte mit der Flinte im Arm herum und entdeckte von Nettesheim, der mit hassverzerrtem Gesicht in der Zwischentür zum Nachbarsaal stand. In seiner Rechten hielt er wie damals in Staufen einen Donnerkeil. Ihre Blicke trafen sich, und der kristalline Stab ruckte abermals vor. Im gleichen Moment donnerte die Muskete. Lukas spürte noch, wie ihm ein scharfer Schmerz durch den
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