Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
zum Sprechen hatte.
»Das habe ich gehört«, sagte Richard atemlos vor Anstrengung, aber mit beleidigtem Unterton, als unterstellte er, ich hätte es vor ihm geheim halten wollen. Aber vielleicht projizierte ich da etwas in ihn hinein. Ich war immer bereit zu glauben, dass Richard sich absichtlich schwierig benahm. Wie er immer bereit war zu glauben, ich sei blutrünstig.
Jean-Claude stellte keine dummen Fragen und fing auch keine Diskussion an. Wenn wir alle wussten, dass ich irgendwie ein zweites Triumvirat herbeigeführt hatte, dann konnten wir jetzt weitermachen. »Du hast dich zu gut gegen Damians Angst abgeschirmt, hast ihn von deiner Macht abgeschnitten wie damals, als du verreist warst.«
»Ich bin doch hier«, wandte ich ein und versuchte, das Gesicht wegzudrehen, um von dem Blut, das plötzlich von Damians Gesicht tropfte, nichts abzukriegen.
»Physisch, aber nicht metaphysisch, und dein Diener braucht beides.«
»Wie kriege ich das wieder hin?«, fragte ich.
»Gib die Abschirmung auf«, antwortete er ganz sachlich.
Das klang so einfach, so logisch. Ich erinnerte mich, wie ich mich gegen Damians Angst abgeschottet hatte. Ich hatte an Metall gedacht, kaltes, festes, undurchdringliches Metall, nicht an eine Blechwand oder eine Stahltür, sondern an den Stoff schlechthin. Einen Monat hatte ich damals gebraucht, um zu lernen, mir keine Türen, Wände oder Gebäude vorzustellen, sondern einfach »Fels«, »Wasser« oder »Metall« zu denken. Um Dinge, die ich nicht an mich heranlassen wollte, auszusperren oder wegzuschwemmen. Marianne konnte sich auch mit einer Luftschicht und mit Feuer schützen, aber das bekam ich nicht hin. Luft konnte ich mir nicht stark genug vorstellen und Feuer, na ja, das war mir zu heikel. Ich benutzte die Werkzeuge, die ich beherrschte.
Wie hebt man so eine Abschirmung auf? Damals musste ich mir vorstellen, wie die Mauer zerbröckelt oder wie die Tür aufschwingt, doch vor kurzem hatte ich endlich etwas begriffen, was Marianne damals gesagt hatte: einfach aufhören, »Metall« zu denken. Ich hörte jetzt also auf, es zu denken. Es ging weg. Löste sich in Nichts auf. Eben noch war ich sicher hinter meinem gedachten Metall, jetzt versank ich in Damians Zorn. Nein, nicht in Zorn; das wäre eine menschliche Regung, und in ihm spielte sich nichts Menschliches ab. Mehr als einmal hatte ich schon geglaubt, wahnsinnig zu werden, mich in einen empathielosen Soziopathen zu verwandeln. Doch was ich mir dabei vorgestellt hatte, war kein Wahnsinn – das hier war Wahnsinn.
Ich vergaß, Damian festzuhalten. Ich vergaß, warum ich meine Abschirmung aufgelöst hatte. Ich vergaß alles. Es gab keine Gedanken mehr. Keine Worte. Nur Gefühl und Impuls. Den Geruch von frischem Blut. Den Geschmack unseres eigenen Blutes im Mund, bitter. Hände, die uns an den Boden drückten, uns zermalmten. Hunger, Hunger wie Feuer in den Eingeweiden, wie etwas, das uns lebendig verzehrte, wenn wir uns nicht sättigten und sättigten und sättigten. Den Geruch von frischem Blut, die Wärme in ihren Händen, die uns alles aufdrängten, was in den Wahnsinn trieb. Schmerzen, mein Körper bestand aus Schmerzen. Als ob mich ein Feuer von innen verbrannte. Ich schrie, und es war laut, aber nicht laut genug. Es half nicht. Nur eines würde das Feuer löschen, mich füllen, den Schmerz stillen: Blut. Frisches Blut. Warmes Blut.
Meine Hände berührten warme Haut, und wäre es nicht Richards gewesen, hätte es wohl nicht aufgehört. Aber das Gefühl von Richards muskulösem Arm löste mich von dem Hunger. Ich starrte aus nächster Nähe in seine braunen Augen, fast als hätte ich mich zum Küssen genähert, doch es war nicht sein Mund, auf den ich es abgesehen hatte. Selbst jetzt noch war seine lange Halslinie eine Verlockung für mich. Der Geruch von frischem Blut war stärker als der feinere des Blutes, das unter der Haut pulsierte, doch es reichte mir nicht, an seiner Wunde zu lecken. Das Blut musste frisch sein. Ich wollte die Zähne in Fleisch schlagen. Ich wollte selbst ein Loch hineinreißen. Nur das würde mich befriedigen. Nur das wäre genug.
Ich zwang meinen Blick zu Richards Gesicht hinauf, blickte in seine großen Augen, überwand mich, ihn zu betrachten, folgte der Kinnlinie, den vollen Lippen. Ich betrachtete jemanden, den ich einmal geliebt hatte, und musste mich ungeheuer anstrengen, in ihm etwas anderes zu sehen als Futter.
Damian bäumte sich auf, und Richard musste seine Aufmerksamkeit auf den
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