Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
abbekommen.«
Ich nickte, und die gute Laune verließ mich. Ehe ich durch die Glasschiebetür trat, überlegte ich, was ich mit ihm machen sollte. Schließlich konnte ich ihn nicht den ganzen Tag an der Hand halten. Oder? Ich war bereit, es eine Zeitlang zu tun, aber den ganzen Tag, das würde mich wahnsinnig machen. Besonders wenn ich es nicht nur heute, sondern jeden Tag tun müsste. Plötzlich sah ich eine endlose Folge von Tagen vor mir mit Damian, der sich an mich klammerte. Das war klaustrophobisch.
Halb erwartete ich, er würde, sowie ich die Küche betrat, nach mir greifen, aber er tat es nicht. Ich blieb stehen, bis sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, dann wurden sie unwillkürlich von dem Platz angezogen, wo Richard gesessen hatte. Doch ich zwang mich, zuerst Fredo anzusehen. Als guter Leibwächter hatte er sich in die Nähe der Terrassentür begeben und lehnte an dem kleinen Tisch in der Frühstücksnische. Die weißen Rosen, die Jean-Claude jede Woche schickte, bildeten den Hintergrund für Fredos dunkle Gestalt. Er strich wieder mit den Fingerspitzen am Jackenrand entlang. Ich hatte ihn nie Messer benutzen sehen, ahnte aber, dass er sie schneller in der Hand hätte als ich meine Pistole, geschweige denn mein Messer. Die Rückenscheide war wirklich nur für den Notfall da. Hätte ich Messer als Hauptwaffe gewählt, hätte ich die Unterarmscheiden angelegt.
Ich bewegte mich langsam in den Raum hinein, weg von Fredo, nicht weil ich mit einem Angriff rechnete, sondern aus Prinzip. Ich war nicht in bester Verfassung, er dagegen ein Profi, und darum verhielt ich mich angemessen vorsichtig. Außerdem musste ich meine vorige Dummheit irgendwie wieder wettmachen, und die Zeiten, wo ich zur Selbstbestätigung einen Streit vom Zaun gebrochen hätte, waren lange vorbei. Diese Phase war bei Frauen sowieso kürzer. Wir denken generell viel praktischer als Männer.
Richard saß noch am selben Platz. Clair saß jetzt neben ihm, eine Hand auf seiner gesunden Schulter. Ihre kleine Hand hob sich sehr blass von seiner braunen Haut ab. Clair beobachtete mich. Ihre Augen waren blau, dunkelgraublau.
Micah stand am schmalen Ende der Kochinsel in der Nähe des Tisches. Er wirkte angespannt. Ein schneller Blick von ihm lenkte meine Aufmerksamkeit auf Damian und Nathaniel.
Der Vampir hatte sich in die Ecke zwischen Schrank und Spüle gehockt, die Knie an die Brust gezogen und den Kopf darauf gesenkt, um sein Gesicht zu verbergen. Er verschwand quasi in dem blauen Morgenrock und hinter seinem Haarschleier. Nathaniel saß neben ihm am Boden, eine Hand auf dessen Hand gelegt, aber das war alles.
Er sah zu mir hoch, gequält, hilflos, sonstwie. Ich war nicht mehr wütend, und auch meine Platzangst war vorbei, als ich durch die Küche zu ihnen ging. Ich kniete mich an Damians freie Seite und sah Nathaniel fragend an. »Ich dachte, es könnte was nützen, wenn ich seine Hand halte, bis du wiederkommst.«
Ich nickte. Es klang logisch.
»Mehr Körperkontakt wollte er nicht.« Er klang nicht gekränkt, er erklärte es ganz nüchtern.
Ich wollte Damians Haare zur Seite streichen, da schnappte er sich mein Handgelenk. Es passierte so schnell, dass ich die Bewegung gar nicht sah. Das hatte ich bei Vampiren schon lange nicht mehr erlebt, und bei diesem hätte es schon gar nicht passieren dürfen. Bei der Schnelligkeit und der Kraft in seiner Hand schnappte ich erstaunt nach Luft.
Er erhob sich und blickte mir direkt in die Augen. Plötzlich war ich verblüfft über seine Schönheit. Es traf mich wie ein Schlag.
»Mein Gott«, flüsterte Nathaniel.
Ich brauchte peinlich lange, um mich von dem Anblick loszureißen. Sobald ich Nathaniels Gesicht sah, konnte ich mich zusammenreißen. »Siehst du das auch?«, fragte ich.
Er nickte. »Wie nach einem erstklassigen Facelifting: wenig Veränderung, die aber genau an den richtigen Stellen.«
»Wovon sprecht ihr?«, fragte Damian.
Ich blickte ihn wieder an und war erneut verblüfft. Er hatte schon immer gut ausgesehen, aber nicht so. »Das müssen Vampirkräfte sein. Ich dachte, als mein Diener könnte er das nicht mehr.«
»Ich glaube nicht, dass es ein optischer Trick ist, Anita«, sagte Nathaniel. Er streckte die Hand aus, um Damians Gesicht zu berühren.
Der wich ihm aus. »Was ist denn? Was ist mit meinem Gesicht?«
»Richard hat dich verprügelt, aber es ist keine Spur mehr davon zu sehen.«
Er betastete seinen Mund. »Alles verheilt«, sagte er.
Ich nickte
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