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Schwarzer, Alice

Schwarzer, Alice

Titel: Schwarzer, Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die grosse Verschleierung
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etwas falsch machen. Zu tief sitzt
ihr schlechtes Gewissen wegen der Nazizeit. Doch, Ironie der Geschichte, genau
mit dieser falschen »Toleranz« trugen sie ein zweites Mal dazu bei, dass eine
neue Spielart des Faschismus sich bis mitten in Deutschland ausbreiten konnte.
    Bereits 1993 veröffentlichte EMMA das erste Dossier über
die erfolgreiche Agitation der islamistischen Fanatiker »Mitten unter uns«,
mitten in Deutschland. Schon damals also hätte man es wissen können, wenn man
gewollt hätte. Doch stattdessen wurde nun auch EMMA des »Rassismus«
beschuldigt und von »antirassistischen und antifaschistischen« Frauen aus
linken Kreisen sogar tätlich angegriffen.
    Ausgerechnet die Linke hat in Deutschland durch ihre Komplizität
mit den Islamisten leider eine fatale Rolle gespielt bei der Ignoranz und
Verharmlosung, ja Förderung des weltweiten Islamismus. Laut Zentralrat der
Muslime kamen in den 1990ern die meisten islamischen Konvertiten von den
Grünen. Warum? Nachdem die westliche Linke ihre alten Götter verloren hatte - von
Marx über Che Guevara bis Mao und Pol Pot -, ist sie auf der Suche nach neuen
Propheten. Der allerneueste heißt Mohammed. Die Sehnsucht nach Glauben statt
Verstehen scheint tief.
    Genau dieser Haltung sagt Ayaan Hirsi Ali den Kampf an.
Sie will nicht länger glauben müssen - sie will verstehen dürfen. Sie wagt es,
nicht nur den Islamismus zu kritisieren, den politisierten Islam, sondern auch
den Islam selbst. »Der Islam muss sich reformieren«, sagt sie.
    Und sie weiß, wovon sie redet. Schließlich sind die
Muslime - und allen voran die Musliminnen - die ersten Opfer der Fanatiker im
Namen des Islams. Für diese islamischen Männerbünde steht der Hass auf Frauen
am Anfang, ja ist ihr konstituierendes Moment. Das wissen wir auch aus den
Predigten der Imame und den Träumen der Terroristen.
    Die Kluft zwischen Frauen und Männern ist, im Islamismus
wie im Faschismus, die erste und tiefste Einübung in ein Wir und ein Ihr: Ihr,
das sind immer die Anderen, die Minderen; Wir, das sind die Einen, die, die im
Namen ihrer gerechten Sache alles tun dürfen. Dieses hermetische,
selbstgerechte Wir steht am Anfang von totalitären Entwicklungen (wie wir auch
schon von Hannah Arendt wissen).
    Die Emanzipation der Muslime - und allen voran der Musliminnen!
- ist darum der Schlüssel zur Modernisierung des Islam. Ein erster Schritt wäre
die Aufhebung der Geschlechtertrennung, die schon bei den Kleinkindern beginnt;
sowie eine beherzte Kritik an der absurden Betonung und Zementierung des
Unterschiedes zwischen den Geschlechtern: durch Kopftuch & Bart, draußen
& drinnen, zweierlei Maß & Recht. Der zweite Schritt wäre eine wahre
Integration: durch Deutschunterricht auch für Mütter und Kinder, ein
Anti-Gewalt-Programm zum Schutz der Musliminnen und ein Anti-Macho-Programm zur
Aufklärung der Muslime.
    Entscheidende Anstöße zu diesem wirklichen Dialog geben
heute Frauen wie Ayaan Hirsi Ali und alle Pionierinnen aus dem muslimischen
Kulturkreis, die für ihre Emanzipation und die der anderen nicht selten ihr
Leben riskieren. So wie Ayaan Hirsi Ali, die eigentlich gemeint war von dem
Mörder von Theo van Gogh, und die seit Jahren nur schwer bewacht das Haus verlassen
kann.
    Die Parteien, in denen sie sich in den Niederlanden als
Politikerin engagiert hatte, bekamen rasch kalte Füße und erteilten ihr
Redeverbot. Doch wir brauchen Denkerinnen und Kämpferinnen wie sie. Der
Versuch einer wahren Integration fängt schließlich gerade erst an. Einer
Integration, bei der Kritik und Selbstkritik
angesagt ist - statt Beleidigtsein. ■ EMMA 6/2006
     
    ALICE SCHWARZER / OFFENE ANTWORT AN »60
DEUTSCHE MIGRATIONSFORSCHER«
     
    Quer über dem Text mit dem pathetischen Titel »Gerechtigkeit
für Muslime« steht ein Foto, aus dem acht fröhliche junge Frauen und ein
lächelnder Mann herausschauen. Der Mann trägt eine modische Wollmütze, die
Frauen tragen ihr Haupthaar. Offen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass auch nur
eine der acht sich in dem Text wiederfinden würde. Denn in dem »Offenen Brief«
in der Zeit vom
1.2.06, geschrieben von einer Frau und einem Mann und unterzeichnet von »60
deutschen Migrationsforschern«, geht es eben nicht um diese Art junger Frauen,
die aussehen wie alle anderen, egal ob sie nun muslimisch, christlich, jüdisch
oder atheistisch sind. Es geht um die anderen.
    Die drei Frauen allerdings, gegen die der »Offene Brief«
im Namen der »Wissenschaft« polemisiert,

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