Schwarzer Engel
kalten Ton in deiner Stimme nicht ausstehen. Warum kannst du nicht die Vergangenheit in Frieden begraben, wie’s ich getan habe? Ich durfte dem Baby einen Namen geben. Erinnerst du dich noch, wer vor langer Zeit unsere Helden gewesen sind? Walter Raleigh und Francis Drake! Na gut, wir haben daraus Walter Drake gemacht, rufen ihn aber Drake.«
»Ich erinner’ mich«, sagte ich mit eisiger Stimme.
»Ich finde, es ist ein Supername. Drake Casteel.« Noch mehr Ware für Pa zum Verkaufen, war mein schäbiger Gedanke, ehe ich unversehens das Thema wechselte. »Tom, ich bin in Atlanta. Ich habe vor, ein Auto zu mieten und dann zu euch zu fahren. Aber ich möchte nicht auf Pa treffen.«
»Das ist ja wunderbar, Heavenly!«
»Ich möchte Pa nicht sehen, wenn ich komme. Kannst du es bewerkstelligen, daß er außer Haus ist?«
Toms Stimme klang gequält, als er versprach, sein Bestes zu tun, um eine Begegnung zwischen Pa und mir zu verhindern.
Dann gab er mir genaue Anweisungen, wie ich die kleine Stadt, in der er lebte, erreichen könne. Es war ungefähr zwanzig Meilen von dem Ort entfernt, wo mich mein Flugzeug im südlichen Georgia absetzen würde.
»Tom«, brüllte Pa aus einiger Entfernung. »Ich sagte fünf Minuten, keine zehn!«
»Muß jetzt gehen«, meinte Tom dringlich. »Bin mordsglücklich, daß du kommst, aber muß doch noch sagen, hast ’nen Riesenfehler gemacht, als du Logan aus deinem Leben gestoßen hast und dafür ’nen Kerl wie Troy rangelassen hast. Paßt nicht zu dir. Dieser Troy Tatterton, den de mir beschrieben hast, wird dir nie so verstehen können wie Logan.
Oder dich auch nur halb so lieb haben.«
Sein Provinzdialekt war wieder da, wie immer, wenn er innerlich beteiligt war. Rasch verbesserte ich ihn. Nicht ich war’s gewesen, die Logan beiseite gestoßen hatte, Logan hatte seine Einstellung geändert.
»Ade, Heavenly… seh’ dich dann morgen, so gegen elf.«
Ohne weiteren Kommentar legte er auf.
Diese Nacht blieb ich in Atlanta, am nächsten Morgen in der Früh nahm ich einen Leihwagen und fuhr nach Süden.
Dabei grübelte ich über alle Briefe von Tom nach, die mich hätten warnen sollen. »Ich dachte, nichts würde je zwischen dich und Logan kommen. Es ist das Leben in dem reichen Haus, ich weiß, daß es schuld daran ist. Das verändert dich, Heavenly! Du schreibst und sprichst ja nicht einmal mehr wie du selbst!«
»Du bist nicht Fanny«, hatte er einmal geschrieben.
»Mädchen wie du verlieben sich nur einmal und ändern ihre Ansichten nicht.«
Wofür hielt er mich denn? Für einen Engel? Für eine Heilige ohne Makel? Ich war kein Engel oder eine Heilige. Dazu hatte ich die falsche Haarfarbe. Ich war ein schwarzer Engel, durch und durch eine nichtsnutzige, lumpige Casteel! Pas Tochter! Er hatte mich zu dem gemacht, was ich war – was immer das sein sollte.
Mit Troy hatte ich erst vergangene Nacht gesprochen, und er hatte mich aufgefordert, meine ganze Familiengeschichte rasch in Ordnung zu bringen und dann schnell zurückzukehren.
»Solltest du Tom überreden können, zu unserer Hochzeit zu kommen, ohne Rücksicht auf Tonys Ansicht, dann hättest du wenigstens nicht das Gefühl, alle Gäste kämen von meiner Seite. Vielleicht möchte aber auch Fanny kommen.«
Ach, Troy hatte keine Ahnung, wonach er fragte, als er meine Schwester Fanny einlud! Alle möglichen sonderbaren Gedanken gingen mir durch den Sinn, während ich in den frühen Morgen hinein zu einer kleinen Stadt fuhr, die ich auf einer Umgebungskarte rot eingekreist hatte. Ich starrte auf den roten Staub entlang der Straße und ließ mich davon in die Zeit zurückversetzen, die ich mit Kitty und Cal Dennison verbrachte. Zum ersten Mal, seit ich aus West-Virginia fortgeflogen war, blieben meine Gedanken bei den Erinnerungen an Cal hängen. Ob er noch immer in Candlewick lebte? Hatte er wohl das Haus, das Kitty gehört hatte, verkauft?
War er wieder verheiratet? Sicher hatte er die richtige Entscheidung getroffen, als er mich in das Flugzeug nach Boston setzte und mich im Glauben ließ, Kitty würde trotz ihres schweren Tumors überleben.
Ich schüttelte den Kopf, denn ich wollte nicht über Cal nachdenken, wenn ich mich doch auf meine Begegnung mit Tom konzentrieren mußte. Irgendwie mußte ich ihn davon überzeugen, Pa zu verlassen und seine Ausbildung fortzusetzen. Troy würde die Kosten dafür übernehmen und ihm auch Kleidung, und was er sonst noch brauchte, bezahlen.
Aber sogar während ich dies
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