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Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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wir gepflanzt haben, eines Tages aufgegangen. Wir brauchten es nur zu nehmen, und, Mann, wir haben es genommen. Ich habe es genommen! Deswegen jetzt.«
    Ein hämisches Grinsen fuhr über Rourkes Miene. Wieder hielt er die Mündung der Waffe vor Boschs Gesicht. Bosch konnte nur zusehen.
    »Ich hab’ keine Zeit mehr, Bosch, und Sie auch nicht.«
    Rourke umfaßte die Waffe mit beiden Händen und spreizte die Beine. In diesem allerletzten Moment schloß Bosch die Augen. Er dachte an nichts anderes mehr als an das Wasser. Es war so warm wie eine Decke. Er hörte zwei Schüsse, die wie Donner durch den Betontunnel hallten. Er zwang sich, die Augen zu öffnen, und sah Rourke an der anderen Wand lehnen, beide Hände in der Luft. Eine hielt die M-16, die andere seine Taschenlampe. Die Waffe fiel klappernd ins Wasser, dann die Lampe. Sie tanzte auf den Wellen und warf mit ihrem Licht unruhige Muster an Decke und Wände des Tunnels, während sie langsam davonschwamm.
    Rourke sagte kein Wort mehr. Langsam rutschte er an der Wand herunter und starrte nach rechts, in die Richtung, aus der Bosch meinte, die Schüsse gehört zu haben. Eine Blutspur blieb an der Wand zurück. Im trüben Licht sah Bosch zunächst die Überraschung in seinem Blick, dann das Ende. Jetzt saß er wie Bosch an der Wand. Wasser umspielte seine Beine, und die toten Augen stierten ins Nichts.
    Dann verschwamm alles vor Boschs Augen. Er wollte etwas fragen, brachte aber die Worte nicht heraus. Da war ein zweites Licht im Tunnel, und er glaubte, eine Stimme zu hören, die Stimme einer Frau, die ihm sagte, alles sei okay. Dann meinte er, Eleanor Wishs Gesicht zu sehen, das scharf und wieder unscharf wurde. Schließlich versank es in tiefem Schwarz.

ACHTER TEIL
Sonntag, 27. Mai
    Bosch träumte vom Dschungel. Meadows war da und sämtliche Soldaten aus Harrys Fotoalbum. Sie standen um ein Loch am Boden eines blätterübersäten Schützengrabens. Über ihnen hing grauer Dunst im Baldachin des Dschungels. Die Luft war still und warm. Bosch machte mit seiner Kamera Fotos von den anderen Ratten. Meadows wollte runter. Aus dem Licht in die Finsternis. Er sah Bosch durch die Kamera an und sagte: »Denk an dein Versprechen, Hieronymus.«
    »Reimt sich auf Anonymus«, sagte Bosch.
    Aber bevor er ihm sagen konnte, daß er nicht gehen solle, sprang Meadows mit den Füßen zuerst ins Loch und verschwand. Bosch lief zum Rand und starrte hinunter, sah aber nichts, nur rabenschwarze Finsternis. Gesichter kamen ins Blickfeld, dann versanken sie im Dunkel. Es waren Meadows und Rourke und Lewis und Clarke. Hinter sich hörte er eine Stimme, aber ihm wollte kein Gesicht dazu einfallen.
    »Harry, komm schon, Mann. Ich muß mit dir reden.«
    Dann spürte Bosch den furchtbaren Schmerz in seiner Schulter, der vom Ellbogen bis zum Hals pochte. Jemand klopfte ihm auf die linke Hand, tätschelte sie leicht. Er schlug die Augen auf. Es war Jerry Edgar.
    »Ja, gut so«, sagte Edgar. »Ich hab’ nicht viel Zeit. Dieser Typ an der Tür sagt, sie können jeden Moment hiersein. Außerdem geht seine Schicht zu Ende. Ich wollte mit dir reden, bevor die Bonzen kommen. Wollte schon gestern da sein, aber der Laden hier war gerammelt voll mit Seidenhemden. Und ich hab’ gehört, daß du die meiste Zeit weggetreten warst. Im Delirium.«
    Bosch starrte ihn nur an.
    Edgar sagte: »Ich hab’ schon oft gehört, daß man am besten sagt, man könne sich an nichts erinnern. Dann können sie es drehen, wie sie wollen. Ich meine, wenn du dir eine Kugel einfängst, können sie ja kaum behaupten, du hättest es dir ausgedacht. Das Bewußtsein macht dicht, wenn der Körper ein traumatisches Erlebnis hat. Hab ich gelesen.«
    Inzwischen war sich Bosch darüber im klaren, daß er im Krankenhaus lag, und er sah sich um. Er bemerkte fünf oder sechs Blumensträuße, und das ganze Zimmer roch ekelhaft süßlich. Außerdem merkte er, daß er Haltegurte um Brust und Taille hatte.
    »Du bist im MLK, Harry. Die Ärzte sagen, du kommst wieder in Ordnung. Nur an deinem Arm ist noch einiges zu machen.« Edgar flüsterte. »Hab’ mich reingeschlichen. Ich glaube, die Schwestern haben gerade Schichtwechsel oder so was. Der Cop an der Tür, der ist drüben von der Wilshire Patrol. Er hat mich reingelassen, weil er verkaufen will und wohl gehört hat, daß das mein Job ist. Ich hab’ ihm gesagt, ich nehm’ sein Haus für zwei Prozent in meine Liste auf, wenn er mich fünf Minuten reinläßt.«
    Bosch hatte noch immer

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