Schwarzes Gold Roman
justiert und angepasst. Das Blaugrau des
Schlipses fand sich im Jackett und dem rot gestreiften Hemd wieder. Brede Gran
hatte Stil. Sein Haar war mit Pomade oder Gel zurückgekämmt, und als er
darüberstrich, blitzten zwei Goldringe an seiner sonnengebräunten Hand.
Erling sagte kühl: »Sie verkaufen sich nicht schlecht,
Gran, aber zweihundert Millionen sind viel Geld. SEHR viel Geld«, fügte er
hinzu.
»Die Oslo-Bank«, sagte Brede Gran.
Erling stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte, und seine
gespreizten Finger bildeten ein Gitter, durch das er sein Gegenüber
betrachtete. Das Wort, das Gran soeben ausgesprochen hatte, war eine Art
Allheilmittel. Erlings ganzer Körper signalisierte, dass ihm ein Ereignis der
Extraklasse bevorstand. Fast, aber nur fast, das gleiche Gefühl wie damals,
als er drei Aktienbriefe der Reederei VIDAR an sich genommen hatte. Erling war
sich bewusst, dass der Mann auf der anderen Seite des Tisches etwas Neues, aber
auch Unumgängliches repräsentierte. Dieser Mann führte ein Pferd am Zügel
und bat Erling, ihn auf einen Ritt zu begleiten. Das letzte, entscheidende
Wort, das Gran soeben ausgesprochen hatte, Oslo-Bank, zeugte davon, dass ihm
eine Person gegenübersaß, die sowohl in der Lage war, langfristig als auch
taktisch in den richtigen Bahnen zu denken.
»Sie haben gerade erst begonnen«, fuhr Gran fort. »Es sind
viele Leute mit Ambitionen, ohne antiquiertes Gedankengut im Gepäck, sie
warten nur darauf, ihr Geld zu verleihen, warten auf ordentliche Projekte. Was
glauben Sie, welche Anfragen sie üblicherweise bekommen? Das sind
Briefträger, die davon träumen, mal an der Börse zu spekulieren. Putzfrauen,
die ihre eigene Reinigungsfirma eröffnen wollen. Das hier, Sachs«, er tippte
mit dem Zeigefinger auf seine Projektmappe auf dem Tisch, »das ist etwas
anderes, das ist die goldene Gans.«
»Warum ich?«, sagte Erling schnell. »Warum
Kapitalinvest?«
Es blinkte golden von Grans Eckzahn. »Versteht sich das
nicht von selbst?«
Erling betätigte noch einmal die Sprechanlage. »Terje?«,
fragte er.
»Ja?«, ertönte Terje Plesners Stimme metallisch aus dem
Lautsprecher.
»Hier ist jemand, den ich dir gern vorstellen möchte.«
Dieser Satz war ein Code, den Erling und Terje gemeinsam
entwickelt hatten. In Wirklichkeit hatte Terje Plesner auf dieses Signal
gewartet. Die beiden obersten Chefs von Kapitalinvest verfügten über ein
breites Register interner Codes.
Der Ankündigung von Brede Grans Besuch war am Vormittag eine
rasche Fraktionssitzung mit Erling und Terje gefolgt. Sofort waren sie sich
über die Arbeitsteilung einig: Erling sollte den Mann und dessen Vorschläge
in Augenschein nehmen, was mit einer Absage und dem Passwort VE – vergiss es
– hätte enden können. Wohl aber auch mit der Losung KF – dem berühmten
kleinen Finger – in Form eines weiteren Termins und weiterer
Fraktionsgespräche zwischen den Kompagnons. Es konnte aber auch so enden wie
gerade eben: Erling hatte den Mann und dessen Vorschläge begutachtet, und nun
nahm er eine Abkürzung, um Terje Plesner schon jetzt in die Besprechung mit
einzubeziehen. Das ließ darauf schließen, wie wichtig und günstig Grans
Vorschlag sich darstellte. Der Code bedeutete, das Erling und Plesner momentan
einen
Freund
zu Besuch hatten. Man schlug einen jovialen,
spielerischen Ton an, damit der neue
Freund
sich unter
Freunden
fühlte.
»Und wer ist das?«, fragte Terje Plesner leichthin und
ausgesucht freundlich.
Erling und Brede Gran sahen einander an und lächelten. »Sie
haben für Gary Hart gearbeitet, nicht wahr?«
Brede Gran nickte.
»Ein norwegischer Wahlstratege des amerikanischen
Präsidentschaftskandidaten Gary Hart«, sagte er in die Sprechanlage.
»Was hat so ein Mann in Norwegen verloren?«, erklang
Plesners Stimme metallisch.
Wieder sahen Erling und Gran einander an und grinsten. Brede
Gran beugte sich vor und antwortete selbst: »Er will die Nordsee erobern,
Terje. Und wenn du dabei sein willst, solltest du auflegen und
rüberkommen.«
Aftenposten, 28. März 1985
Norwegische Reederei kommt unter den
Hammer
Gestern war an der Börse ein Anstieg zu verzeichnen. Die
rege Aktivität ist unter anderem auf Handel mit Aktien der traditionsreichen
Reederei Tønnesen zurückzuführen. Nach Information der Aftenposten ist ein
Großteil der Aktien in den Besitz eines unbekannten Geschäftsmannes
übergegangen. Weder der Vorstand der
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