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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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nur eben nicht hier. Ab und zu tue
ich so, als wärest Du da. Dann unterhalten wir uns lange. Ich habe etwas
Schreckliches erlebt, weißt Du. Ich bin monatelang niedergeschlagen und
erschöpft gewesen. Aber ich will nicht darüber schreiben. Ich will, dass Du
mich im Arm hältst, wenn wir über diese Dinge reden. Ich wünschte, Du
kämest bald nach Hause. Ich vermisse Dich so sehr, dass es wehtut. Liebe Dich,
Renate
    Lieber Anders,
    Warum schreibst Du nicht? Ich bin krank geworden.
Briefkastenfieber. Ich muss jeden Tag nachschauen. Aber nie liegt ein Brief von
Dir darin. Lieber Anders, bitte schreib. Selbst schlechte Nachrichten sind
besser als keine. Bitte beachte, dass ich umgezogen bin. Fange die
Journalistenausbildung in Volda an. Habe genug von Politik und Heuchlern. Ich
liebe Dich, Renate

Dritter Teil
    It’s a lousy war, kid … but it’s the only one
we’ve got.
    Aus: What Price Glory?

1
    Es war ein grauer Morgen im Frühling 1985. Erling, der sehr
darauf bedacht war, in Form zu bleiben, nahm in den elften Stock immer die
Treppe. Schnelle, akkurate Schritte, den Blick nach unten gerichtet,
konzentriert, er achtete darauf, im Takt zu bleiben, den Körper durch jede
Kurve zu zwingen, keine Ruhepause auf den Treppenabsätzen, nur schnell weiter,
bis er atemlos das Vorzimmer ganz oben betrat. »Wissen Sie, Lise, man kann den
Körper gar nicht genug trimmen.«
    »Unglaublich, dass Sie das auf sich nehmen«, antwortete
Lise jedes Mal. »Zehn Stockwerke! So früh am Morgen!«
    Wie immer hatte Lise die Kaffeekanne schon bereitgestellt.
Erling trank die erste Tasse des Tages, während er mit Lise die Termine des
Tages durchsprach. Erling machte sich Notizen in seinem neu erworbenen
Time
Manager
. Eines hatte er im Zeitplanungskurs gelernt. Wenn man sich
während der ersten halben Stunde im Büro die Zeit nahm, den Tag mit einem
Zeitplan zu organisieren, zahlte sich das später zehnfach aus. »Der
Time
Manager
, Lise, senkt das Stressniveau und macht es Ihnen und mir
einfacher, einen Überblick über die Zeit zu haben. Die Zeit, Lise, ist das
kostbarste Gut des Geschäftsmannes.«
    Dieses morgendliche Ritual, mit Lise den Zeitplan und die
Termine durchzugehen, war ein fast heiliger Moment, den Erling sehr schätzte.
Lise war ein Goldstück, sie verfügte über soziale Kompetenz, eine fleißige
Ameise, die trotz einer Nulpe von Ehemann nie krank war. Vielleicht war er ja
der Grund? Vielleicht klammerte sie sich an ihre Arbeit, weil sie sonst auch
noch zu Hause das Ruder übernehmen müsste, wenn es am schlimmsten stürmte.
Lise war Diskretion in die Wiege gelegt, und sie stellte nie Fragen. An diesem
Tag kündigte sie einen Besucher an. »Er hat schon mehrfach angerufen und um
einen Termin gebeten.«
    »Wie heißt er?«
    »Brede Gran.«
    Der Name löste in Erling eine kleine Reaktion aus. Als
hätte jemand auf einen Knopf gedrückt, der wiederum einen schlummernden Teil
des Hirns aktivierte, eine nahezu vergessene und eingestaubte Kammer, die
vollgestopft war mit schmählichen Demütigungen seines Schwiegervaters und
längst begrabenen Minderwertigkeitsgefühlen. In Erlings Augen stand Brede
Grans Name symbolisch für den Beginn von Georg Spennings erstem Niedergang.
Dass nun ausgerechnet dieser Mann am Telefon hing, konnte nichts anderes als
ein Zeichen von oben sein.
    Er warf sofort einen forschenden Blick auf die eng
beschriebene Seite in seinem in Schweinsleder gebundenen
Time Manager
,
um eine Lücke im Zeitplan zu finden. »Sieht aus, als hätte ich um 13.00 Uhr
eine Stunde frei«, sagte er zu Lise, die ihre Notizen überprüfte und nickte.
»Haben Sie.«
    »Rufen Sie ihn an und sagen Sie ihm, dass er dreißig
Minuten bekommt.«
    Als die Uhr 13.10 zeigte, meldete er Lise über die
Sprechanlage: »Möglicherweise dauert dieses Treffen länger als geplant,
Lise. Sagen Sie bitte bis 15.00 Uhr alles ab.«
    Anschließend lehnte er sich zurück und fasste den Mann auf
dem Besucherstuhl ins Auge. Der Mann war Mitte Dreißig, nicht besonders groß,
gerade mal einen Meter siebzig. Er trug einen leicht schimmernden Seidenanzug,
das Logo des Designers unten auf den Ärmel genäht. Von seinem Platz aus
konnte Erling die Schuhe nicht sehen, aber ihm waren der handgenähte Rand und
der Glanz des Leders aufgefallen, als Gran den Raum betrat. Die Krawatte war
vermutlich ebenfalls aus Seide, dachte er, mit doppeltem Windsorknoten –
fest, von einem Fachmann geknotet,

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