Schwarzes Gold Roman
die Reste der
Sahne-Teilchen und zwischendurch die Tüte Bamsemums verdrückte. Das Buch
hieß
Der Gürtel des Orion.
Es gelang ihm nicht, sich zu
konzentrieren. Seine Gedanken kreisten um ihren Körper, ihre Schenkel, ihre
Brüste. Was sie gerade tat, geil und willig. Er las Seite um Seite, ohne die
Handlung mitzubekommen. Nach weiteren siebzig Minuten tat sich etwas im Hof.
Sie kam heraus: Bette Line Sachs, lächelnd, mit federndem Gang. Sie blieb
stehen, fasste ihr blondes Haar rasch in einem Pferdeschwanz zusammen, den sie
auf den Rücken warf. Huseby folgte ihr mit den Augen. Frisch gevögelt und
zufrieden, dachte er, die kleine Nympho.
Er wartete ab und hielt den Wagen des Mannes im Auge. Er
stand in einem Konflikt. Sie war allein herausgekommen. Sollte er nun Erlings
Frau verfolgen oder auf den Mann warten? Er entschied sich für die Frau,
folgte ihr zu Fuß, während er zum Zeitvertreib Schokoladenkugeln in sich
hineinstopfte. Konnte den Blick nicht von den Hüften abwenden, die sich in der
engen Hose wiegten. Er atmete schwer und begriff schnell, dass er einen Fehler
gemacht hatte. Sie machte einen Spaziergang – die Dame hatte die Absicht, zu
Fuß zurück in die Stadt zu gehen. Dafür war Ole Gunnar nicht in Form. Mist,
auch die Schokoladentüte war leer. Da machte er kehrt.
Der Mercedes war fort. Ole Gunnar Huseby gab nicht so schnell
auf. Er stapfte durch die Tür, durch die das Paar gegangen war und stieg noch
einmal die Treppe hoch. Er studierte die Namensschilder und entdeckte, was er
schon zuvor hätte sehen sollen: Im dritten Stock war eine Tür ohne Schild. Er
klingelte. Nichts passierte. Er klingelte noch einmal. Schwitzte. Konnte an
nichts anderes denken als an Bette Line auf der Massagebank dieses verdammten
Pakis. Ihre halb geschlossenen Augen, dieser sinnliche Mund. Seine Hände
zitterten. Er klingelte wieder. Nichts rührte sich. Dann nahm er die
Plastikkarte, die er in der Gesäßtasche trug, lehnte sich mit seinem gesamten
Gewicht gegen die Tür und drückte die Karte in den Spalt, fünf Zentimeter
unterhalb des Schlosses. Wenige Sekunden später sprang die Tür auf. Der
Geruch von Sex schlug ihm entgegen. Es war eine kleine Wohnung. Ungelüftet.
Dreißig Quadratmeter plus Bad. Keine Möbel im Zimmer. Nur ein riesiges Bett
– und vor dem Bett ein schwarzer Spiegel. Hier kniete sie auf allen vieren
und biss ins Laken, sah zu, wie sie von hinten genommen wurde – knallhart.
Ole Gunnar Huseby konnte nicht mehr. Er taumelte ins Bad, öffnete seinen
Gürtel und ließ die Hand über der Kloschüssel ihren Dienst tun. Er kam
sofort. Blieb stehen, die Stirn an der Wand, und keuchte. Als sein Atem sich
endlich wieder beruhigt hatte, ging er zurück ins Zimmer, um sich zu
überlegen, wo er die Überwachungsgeräte anbringen sollte.
18
Wenn Anders und sein Vater sich mal in der Tür begegneten,
hatten sie einander nicht viel mitzuteilen.
»Willst du dir nicht mal einen Job suchen, Anders?«
»Ich studiere.«
»Ja, stimmt. Welche Kurse willst du belegen?«
»Weiß ich noch nicht, aber ich habe die Semestergebühr
schon bezahlt.«
Er brauchte eine Wohnung. Zu Hause in Eiksmarka roch es nach
sterilem Putzmittel. Sein Kinderzimmer war eine beengte Abstellkammer im Herzen
eines verlassenen Mausoleums. Der Vater war so gut wie nie zu Hause. Per Ole
war ausgezogen. Die Mutter pendelte zwischen Bakketeig, dem Krankenhaus in
Blakstad und zu Hause.
Anders begann, Wohnungsanzeigen in der Zeitung zu studieren,
und fand ein günstiges, aber heruntergekommenes Schlupfloch in der
Kjølberggata im Ostteil der Stadt. Es war eine Dachgeschosswohnung mit
Fenstern in der Schräge und der Möglichkeit, am Schornstein einen Kamin
einzubauen. Inzwischen hatte Anders sich für Literaturwissenschaft
entschieden. Seine Kommilitonen erzählten, dass bei den Banken ein Wunder
geschehen sei. Die konservative Regierung hatte etwas bewirkt. Ob man mit
Sonnenbrille, Kippe im Mund und einer Postfachadresse zur Bank ging – jeder
konnte einen Kredit bekommen. Die Banken warfen den Leuten das Geld
hinterher.
Anders ging zur Filiale der Kreditkassen auf dem Campus. Bei
sich trug er den Prospekt der Wohnung. Über dem nahezu viereckigen Gesicht des
Kundenberaters hing ein steifer Seitenscheitel, der aussah wie ein Bumerang.
Ein schmaler Bart bildete wie ein breiter Bindfaden den Rahmen.
»An wie viel hatten Sie gedacht?«
»Die Wohnung kostet
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