Schwarzes Gold Roman
Wirtschaft
sein.
24
Anders schlief immer bis weit in den Tag hinein. Abends
besuchte er Bars wie das Venstres Hus, den Oslo Bluesklubb, das Hot House oder
den Club 7. Er kam, wenn die Nacht schon fortgeschritten und die Lokale endlich
verraucht waren, wenn die Leute in Stimmung gekommen waren und zwischen den
Gläsern dieses unvorhersehbare Gelächter schwang. Anders war kein
aufdringlicher Aufreißer, der in jedem Arm ein Mädchen hatte. Er stand mit
dem Rücken an die Theke gelehnt und empfing die lachende Frau, die sich ihr
Glas füllen lassen wollte. Er trat höflich zur Seite und ließ sie vor. Wenn
sie dann, auf die Bar gestützt, begriff, was vor sich gegangen war und
blitzschnell einen forschenden Blick in sein Gesicht geworfen hatte, begann er
zu sprechen. Warf die Angel aus. Während sie sich unterhielten, hörte er mehr
auf das, was sie nicht sagte: Die Frage war, ob sie wirklich daran interessiert
war, ihn kennenzulernen, oder ob sie sich nur die Zeit mit einem Plausch
vertrieb. War sie eine dieser egozentrischen Frauen, die mit einer hohen
Meinung von ihrem Aussehen ausgestattet waren, kam es vor, dass er plötzlich
abweisend wurde oder eine herablassende Bemerkung machte – nicht um sie zu
verletzen, sondern um diese Rüstung aus Eitelkeit zu durchdringen. So tauschte
er manchmal die Rollen, ohne dass es dem Mädchen auffiel. Denn nun warf sie,
die Abgeblitzte, den Haken aus. Nicht selten fanden sich in diesem Spiel
Hindernisse: eine weniger attraktive Freundin, die sich nicht verzog, oder ein
angetrunkener Mann, der sich an der Theke oder der Frau festhielt und sie nicht
in Frieden ließ. Manchmal kam er auch erst zum Zug, wenn die Bars schlossen
und die Gäste hinausgetaumelt kamen. Dann galt es, den verstohlenen Blick der
Frau aufzufangen, die gerade richtig aufgedreht hatte und es noch zu früh
fand, sich allein in den Bus nach Hause zu setzen.
Er wollte sie erforschen, sie kennenlernen, gemeinsam neue
Wege gehen. Am liebsten wollte er Neuland betreten und dazulernen. War er mit
einer Frau zusammen, die nicht ganz bei der Sache war, stand er aus dem Bett
auf und schlug vor, dass sie etwas anderes unternahmen – seine Sensibilität
wurde erst geweckt, wenn beide Partner in der Zärtlichkeit aufgingen, die sie
einander schenkten.
In diesen verschwitzten Nächten machte er sich keine
Gedanken darüber, dass er sie alle mit Renate verglich: ob sich die Umarmung
von selbst ergab oder ob man unbeholfen mit Armen und Beinen
gegeneinanderstieß; das Gefühl, wenn sich die Zungen trafen, der Geruch der
Halsgrube; wie die Haut sich über dem Bauch spannte, ihr Rhythmus im
Zusammenspiel mit ihm. Er hätte sich nie tiefer auf eine Frau wie Rakel
einlassen können. Sie wollte nur haben – nie geben. Und sie wollte alles auf
einmal, am liebsten auf die harte Tour. Sie mochte es, mit gespreizten Beinen
auf dem Bauch zu liegen, sodass er besonders tief in sie eindringen konnte. Sie
genoss Serien von langen und heftigen Orgasmen. Heidi lag still und passiv da
und kratzte ihren Liebhaber über den Rücken. Groß und schwer nahm sie alles
auf, was kam, während sie auf ihre eigene oder die Extase ihres Liebhabers
wartete. Wenn sie sich dem Zustand näherte, trompetete sie es laut hinaus, wie
ein Schiff, das in den Hafen einläuft.
Wenn noch etwas vom Tag übrig war, arbeitete er an dem
Projekt mit, dessen leitender Direktor, Kassierer und Buchhalter Jonny Stene
war. Anders war Verkaufsleiter. Die Firma nannten sie TRYKK 16 AS. Doch obwohl
Anders mit dem Namen zufrieden war, zweifelte er daran, dass der Plan seriös
genug war, um lange bestehen bleiben zu können. Doch das spielte eine
untergeordnete Rolle, solange ihre Idee zu funktionieren schien: Sie hatten
Oslo nach dem gleichen System wie die Post in Zonen eingeteilt. Die
Telefonbücher hießen entsprechend Oslo 1, Oslo 2, Oslo 3 und so fort.
Anders zog durch die Geschäfte und Unternehmen, um Anzeigen
zu verkaufen. Er konnte sich schnell an fremde Menschen anpassen. Lang und
breit unterhielt er sich mit dem Kunden über Themen, die den anderen
interessierten, doch dann – ohne dass der Betreffende wusste, was geschah –
ging das Gespräch über in den Verkauf von Anzeigen. Er hatte auch gelernt,
schnell zu erkennen, wenn es zwecklos war. Dann versuchte er gar nicht erst zu
verkaufen. Doch die meisten Kunden, die er besuchte, glaubten an die Idee und
ihr Potenzial. Anders informierte sich immer
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