Schwarzlicht (German Edition)
und ihrer Gesinnungsgenossen, die für bessere Haftbedingungen stritten. Mit fünfzehn hatte er gekifft und geschluckt, was er nur kriegen konnte, als er für ein paar Wochen von zu Hause ausgerissen war und sich in Düsseldorf einer Clique von Punks angeschlossen hatte. Später war es der Alkohol, der ihn beruhigte, endlich Ninas guter Einfluss. Vielleicht sollte ich ihr doch auf die Mailbox sprechen, dachte Vincent. Ein paar liebe Worte, den ersten Schritt zur Versöhnung.
Als er endlich den Klingelton seines Handys wahrnahm, brachte er es nicht schnell genug ans Ohr. Im Stau vor dem Südring fand Vincent die Gelegenheit, sich durch die Anrufliste zu klicken. Anna Winklers Nummer stand ganz oben.
Durchatmen.
Er rief zurück.
«Das Landeskriminalamt hat gerade die Laborergebnisse durchgegeben», meldete die Kollegin. «Sämtliche DNA-Proben stimmen überein. Der Tropfen in der Schwimmhalle, der Fleck am Teppich, alles.»
«Castorps Blut.»
«Ja.»
«Verdammt.»
«Vielleicht sollten wir nicht mehr so tun, als wäre Castorp nur ausgerutscht.»
Die Ampel sprang auf Grün, Vincent gab Gas. Für die letzten Kilometer schaltete er noch einmal das Radio ein, die Vierzehn-Uhr-Nachrichten.
Der tote Ministerpräsident war noch immer der Aufmacher, ohne dass der Sender wusste, was geschehen war. Es hieß, Innenminister Driesbach, der neue Spitzenkandidat der CDU, verspreche eine gründliche Aufklärung des Abhörskandals – als habe der Mann bislang nicht alles dafür getan, dass die Untersuchung im Sand verlief.
Zum Brand am Seestern: Die Bauaufsicht der Stadt sei in die Kritik geraten. Und eine Sprecherin der Grünen wurde mit dem Satz zitiert, dass auch die toten Ukrainer ein Teil Deutschlands gewesen seien.
Dann eine Meldung, die Vincent wie ein Faustschlag traf: Der Demonstrant, der seit gestern Nachmittag im Koma gelegen hatte, sei in der Uniklinik seinen Verletzungen erlegen. Zum ersten Mal hatte der Student auch einen Namen: Amadeo Hunziker.
Ich tu nur meinen Job, sagte sich Vincent.
Auf der Seite der Guten, so hoffte er.
22
Vincent hielt inne. Die Tür zu seinem Zimmer stand auf.
Der Raum war leergeräumt bis auf die Möbel und ein Stehpult, das nicht ihm gehörte. Seine Bilder fehlten, der Inhalt der Regale, nichts lag auf dem Schreibtisch. Er ging nach vorn zu Nora, sie wies nach nebenan – Ela Bachs Büro.
«Dominik hat mir geholfen», erklärte Nora.
Vincent staunte. All seine Sachen waren hier. Es kam ihm vor, als sei das Zimmer etwas größer. Er hätte die Bilder anders gehängt, aber er konnte gut damit leben.
Die Schreibkraft überreichte ihm einen Blumentopf. «Etwas Grünzeug. Willkommen im neuen Domizil!»
Vincent stellte das Ding auf das Fensterbrett. «Birkenfeige, ich weiß.»
«Nein. Das ist ein Gummibaum. Ficus elastica . Lass das Pflänzchen nicht vertrocknen!»
Er bedankte sich noch einmal, setzte sich hinter den Schreibtisch und ließ den Blick über die Kartons schweifen, die auf dem Boden standen.
«Auf gute Nachbarschaft!», sagte Nora und kehrte zurück ins Geschäftszimmer.
Vincent hob den Hörer ab. Das Freizeichen tutete, als wäre es mit ihm umgezogen.
Er besprach sich zuerst mit Staatsanwalt Kilian, dann mit Inspektionsleiter Thann.
Schließlich ging er zwei Zimmer weiter zu Felix May, dem Aktenführer, und ließ sich auf dessen zweiten Stuhl fallen. «Na, heute schon mit den Kollegen abgelästert über den neuen Kommissariatsleiter?»
Felix strich über sein T-Shirt mit der Aufschrift ZZ Top – Tres Hombres und grinste. «Nein, aber vielleicht möchtest du dich über den Kerl beschweren. Hör mal, hier darfst du’s. Ich erzähl nichts weiter.»
«Ich wüsste nicht, wo ich anfangen sollte.»
«Siehst müde aus. Was gibt es Neues?»
«Hat Anna es dir noch nicht gesagt? Der Fall Castorp. Kein Unfall, definitiv nicht. Aus unserer Ermittlungskommission wird jetzt eine Mordkommission.»
Er teilte Felix sämtliche Neuigkeiten mit. Die Schmauchspuren. Das Projektil in der Bettdecke. Das positive DNA-Ergebnis: Castorps Blut.
«Wie sieht das für dich aus?», fragte Vincent.
Felix kratzte sich den Bauch unter dem T-Shirt, bevor er antwortete. «Castorp ist also im Schlafzimmer zusammengeschlagen worden. Er wird bewusstlos und blutet aus einer Kopfwunde. Die Täter werfen ihn in das Schwimmbecken. Auf dem Weg dorthin verliert er Blut. Die Täter wischen es auf.»
«Der Schuss?»
«Castorp hat die Täter überrascht, vielleicht Einbrecher. Er stellt sie im
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