Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Verhältnissen und soll sich ein Haus unredlich
angeeignet haben, das hat man ihm zumindest vorgeworfen. ›Wie soll sich ein
Dichter Geld für ein eigenes Haus zusammensparen?‹, lauteten die Vorwürfe. Aber
ich sage Ihnen, der Mann wurde von Hitler persönlich gefördert, er hat
Millionenauflagen gehabt. Also wird er gut verdient haben. Neider hat man
immer, nicht wahr?«
Sie sah Berenike forschend aus warmen braunen Augen an, gut
einstudiert, dieses Berufsstrahlen. Die Glaswand an einer Seite der Bibliothek
gab den Blick frei auf ein geräumiges Büro. Vor dem Fenster Maulbeerbäume, wenn
Berenike das richtig erkannte. Mit der Seidenraupenzucht hatte man sich hier im
Viertel goldene Nasen verdient, deshalb auch der Name Brillantengrund. ›Mei
Vater woar a Hausherr, a Seidenfabrikant‹, ging Berenike ein Wienerlied durch
den Kopf.
»Wir haben, glaube ich, eines von den Werken des Großvaters.
Unsere Bibliothek ist nicht gerade auf diese Stilrichtung spezialisiert,
obgleich …«
Berenike winkte ab. »Lahn senior interessiert mich nicht.«
»Aha. Dabei hat selbst der Alte einiges erkannt.«
»Ja?«
»Große Weisheit in seinem Werk. Im Grunde machen Sieghard
Lahn und seine Freunde nichts anderes. Sie loben die Heimat. In der heutigen
Zeit brauchen die Menschen wieder eine Basis. Zu viel Unsicherheit,
Globalisierung, Wirtschaftskrise. Worauf soll man sich verlassen?«
Berenike zuckte mit den Achseln. Sie musste das hier
durchstehen, um etwas zu erfahren, mehr nicht.
»Heute muss man im Literaturbusiness auffallen. Ich kenne den
Betrieb, ich schreibe mystische Poesie. Man muss sich die passenden
Erfolgskooperationen suchen. Lahn hat sich von einem gewissen Anton Stürmer
protegieren lassen.«
Stürmer. Dieser Stürmer begegnete ihr auch schon einmal zu
oft.
»Nicht meine Wellenlänge, aber darum gehts nicht. Dann hat
Lahn erste Erfolge gefeiert. Durch den Zusammenschluss mit den Radikalpoeten
wurde das verstärkt.« Selma Wittgenstein spielte mit einem Ring an ihrem
Finger, wahrscheinlich Bernstein. »Sie haben sich in den Medien über die
Verfolgung beschwert. Man dürfe heute nicht einmal das Vaterland hochleben
lassen. Die Untersuchungen sind dann im Sand verlaufen.« Ihre Mundwinkel
verzogen sich bis in die Wangen hinein. »Vor Jahren haben sie den Bachmannpreis
gesprengt. Mit einem Wettrülpsen. Jugendliche Blödheit macht vor nichts halt.
Das darf man nicht so eng sehen. In ihrem Manifest hieß es, man müsse tun, was
man tief in sich spüre. Was ich gut verstehe. Aber schade war es schon, die
Literatur steht einmal im Jahr im Mittelpunkt und diese Typen rülpsen in die Kameras!«
Der säuerliche Geruch in der Bibliothek erinnerte Berenike an
ihre Schulzeit. »Wer gehört außer Lahn noch zu dieser Gruppe?«
»Dietmar Eisenberg, Sigurd Auinger«, Frau Wittgenstein
räusperte sich. »Nur eine Dame ist dabei, Moment, wie war ihr Name gleich, ach
ja, Alma Behrens. Ich hab mir den Namen eingeprägt, weil ich an Alma Mahler
denken musste …«
»Alma Behrens?« Berenike verharrte mit dem Stift über dem
Notizbuch.
»Ja.« Frau Doktor Wittgenstein schob ein Heft über den
Tisch, das wie ein Skriptum aus der Uni aussah. Auf dem Cover waren Bilder
bekannter Dichter zu sehen, darunter eine Frau. Die Gesichter waren offenbar
elektronisch manipuliert worden, sodass ihre Mienen wütend wirkten. Goethe
neben Shakespeare, Friedrich Schiller vor Virginia Woolf.
Berenike nahm die Publikation in die Hand – und ließ sie
schnell wieder fallen. ›Zornige Zeilen‹ prangte feuerrot der Titel. Das Layout
sah handgemacht aus, stammte wohl aus der Zeit vor Lahns Erfolgen. Schon wieder
diese Optik! Schwarz-weiß und auch noch Frakturschrift. Dazu dieses Blutrot.
Wie beim Hakenkreuz. Rabenstein war auf der richtigen Spur gewesen, Berenike
war immer überzeugter davon. Auf einer gefährlichen Spur. Mit spitzen Fingern
schlug sie das Heft auf. ›Oh Mutter – nichts ist in Butter – der
Überfall kam gnadenlos –‹
Das klang ganz nach Marschmusik und Reih und Glied. Shocking,
so einen Autor hatte sie zur Lesung geladen. In Zukunft musste sie kritischer
prüfen. Bei der Lesung hatte er unter johlendem Gelächter Sinnlosigkeiten wie
Pop auf Mop gereimt, lauter harmloses Zeug. Aber sein Auftreten, Leder, Metall,
das herrische Gehabe – sie hätte es ahnen müssen.
»Danke für Ihre Zeit.« Ein Feuer. Ein riesiges Feuer sollte
Schriften wie diese zerstören.
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