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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Puls, öffnete den Verband am Arme, ließ zur Ader und steckte endlich ein Messer in den Höcker und ließ es darin. Der Kranke fiel todt zu Boden, die Musik ertönte in dumpfen Klagen. Der Arzt sprang verzweifelnd in der Stube umher, raufte sich ganze Ballen seiner Perrücke aus und warf sie den Leuten ins Gesicht; die Musik verstummte. Endlich, die Hand an die Stirne legend, besann sich der Gequälte und rief: »Musik!« Wiederum Klagetöne. Er kniete zu dem Kranken nieder, riß ihm den Mund auf und zog unaufhörlich weiße Bändel heraus; aber immer noch lag der Kranke leblos. Jetzt nahm der Arzt ein großes Schoppenglas, füllte es bis an den Rand mit Wein, stellte es auf seine Stirne und legte sich nach dem Takte der Musik neben den Kranken rücklings auf den Boden. Alles hielt den Athem an ob dieses schweren Kunststückes, aber es gelang. Nun wurde dem Patienten das volle Glas bis auf die Neige eingegossen, er schlug um sich, warf die Vermummung ab, Florian that desgleichen, die Musik spielte wieder einen Hopser, des alten Schultheißen Bäbele kam herbeigesprungen und tanzte mit Constantin, Creszenz mit Florian; Alles war wieder munter und wohlauf.
    Man hatte mitten in der Lust mit dem Uebel und der Trauer gespielt, in erneutem Freudejauchzen lebte man wieder auf.
    Als man sich eine Weile zu Tische setzte, trank und sang, gab Florian ein neues Lied zum Besten, das er aus der Fremde mitgebracht hatte; es lautete:
     
    Zu Straßburg auf der Schanze,
    Hatte mich ein Mädchen lieb,
    Es bracht' mir alle Morgen
    Einen Kaffee und einen Brief.
     
    Den Brief hab' ich erhalten,
    Den Kaffee aber nicht,
    Darinnen stand geschrieben:
    Der Winter ist vor der Thür.
     
    Der Winter und der ist kommen,
    Die Meister werden stolz,
    Sie sprechen zu den Gesellen:
    Geh' 'naus und spalt mir's Holz.
     
    Spalt es mir nicht zu grobe,
    Spalt es mir nicht zu rein,
    So kannst du diesen Winter
    Mein treu' Geselle sein.
     
    Der Winter und der ist ume,
    Die Gesellen werden's frisch,
    Sie nehmen Stock und Degen
    Und treten vor Meisters Tisch.
     
    »Ach Meister, wir wollen's rechnen,
    Es ist die schönste Zeit,
    Du hast uns diesen Winter,
    Mit Sauerkraut gespeist.«
     
    »Ist dir das Brod zu schwarze,
    Ich laß es backen weiß,
    Ist dir dein Bett zu harte –«
     
    Hier kamen Verse, über die leider weder Creszenz noch sonst eines der Mädchen erröthete, vielmehr jubelte Alles von Neuem.
    Wer mag nun zweifeln, daß Florian der erste Bursch' im Dorfe war?
    Als aber Creszenz nach Hause kam, mußte sie schwer dafür büßen, daß sie heute die erste Rolle gespielt hatte; die Mutter war krank und der Vater besaß nun alle Macht im Hause. Creszenz duldete ohne Murren, sie wußte jetzt sicher, daß sie mit Florian vereinigt würde; hatten sie ja gemeinsam den Preis gewonnen.
     
Fußnoten
     
    1 Mos, so viel als Flecken.
     
    2 Kuren, so viel als Wahlstimmen, noch immer gebräuchlich.
     
     
7.
Es geht scharf bergab.
    Als die Zeit der Lustbarkeiten vorüber war, hatte auch die Herrlichkeit des Florian ein Ende, er wurde in die Ecke gestellt wie eine gebrauchte Baßgeige; Alles ging wieder ruhig an sein Geschäft und sah sich wenig mehr nach den Spaßmachern um. Nur Florian hatte kein rechtes Geschäft und wollte auch keines haben, er lotterte in den Wirthshäusern umher und war auch da bald unwerth.
    Auf dem Lande, wo Jedes die häuslichen Verhältnisse des Andern kennt, ist es nicht leicht, eine große Rolle zu spielen, wenn man es nicht aufzuwenden hat. Baden war jetzt dem Zollvereine beigetreten und so war auch zu Hause Schmalhans Koch. Bei alle dem ging aber Florian noch immer aufrechten Ganges, stolz und schön geputzt, wie in seinen besten Tagen. Nie ging er unsauber einher, und selbst als seine Stiefel fast keine Sohlen mehr hatten, waren sie doch noch immer schön gewichst.
    »Man sieht einem auf den Leib aber nicht in den Magen,« war fein Wahlspruch, und oft sang er das Lied:
     
    Jetzt hab' ich noch drei Kreuzer,
    Ist all' mein baares Geld,
    Dafür laß ich mir waschen,
    Meine Hosen und Gamaschen,
    Kauf mir Wichs' dazu,
    Kauf mir Wichs' dazu,
    Für mein' Stiefel und Schuh.
     
    Die Uhr mit dem silbernen Behäng hatte Florian nur noch am Sonntag, das hatte er sich ausbedungen, als er sie bei der alten Gudel versetzte.
    Der Horber Markt kam, und nun gab es wieder ein Fest für das halbe Dorf.
    Der alte Metzgerle stand schon seit dem frühen Morgen an des Jakoben Brunnen, alle Bauern, die ihre Ochsen zu Markt trieben, ließen sie von

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