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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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daß Gutheit Trumpf sein muß, nachher sei Religion was für woll'. Gelt Luzian, du versprichst mir's, glimpflich mit ihm umzugehen?«
    Ein Kopfnicken antwortete. Es bedurfte dieser letztern Ermahnung kaum, denn wie das so geht bei rasch auf einander folgenden Schicksalsschlägen: das persönliche Leid fühlt sich kaum mehr, und man erhebt sich in ihm zu Allgemeingedanken. Darum sagte auch Luzian aufstehend:
    »Ihr habt mir ein gut Wort gesagt Ahne, man ist oftmals auf ein Kind bös, weil seine Eltern es verziehen . Es geht Einem auch oft so mit ganzen Dörfern und Ländern; man darf den Menschen nicht bös sein, weil ihre Vormünder, die Pfarrer und Beamten, sie verzogen haben und noch verziehen.«
    Luzian ging nach der Kammer. Die Frauen sahen verdutzt einander an, sie hatten einen mächtigen Ausbruch der Leidenschaft von Luzian erwartet, und jetzt redete er, daß man ihn kaum verstand.
    »Was hat er?« fragte die Mutter so vor sich hin. Niemand antwortete.
    Mit dem Rocke bekleidet kam Luzian wieder heraus, nahm den Hut und sagte mit einer ganz fremden Wehmuth im Antlitze: »Ich mach' heut' auch meine Stationen, sie sind ein bisle weit und die Schritte nicht abgezählt, aber mein Kreuz ist mir noch nicht zu schwer. Ich will nur zum Egidi, daß er mir das Kind nicht verdirbt. Könnet ohne Sorgen sein, er ist der Vater, ich werde ihm kein bös Wörtle geben.«
    Wieder verließ Luzian das Haus.
     
Ueber sich hinaus.
     
    Zum zweitenmal nach mehrstündiger Abwesenheit ging Luzian heute an Stall und Scheunen vorüber, ohne einzuschauen; wie ist das nur möglich? Das gedachte er jetzt, als er schon eine Strecke entfernt, sich nach seinem Heimwesen umwendete.
    »Es muß Alles verlumpen,« dachte er, und eine seltsame Bitterkeit prägte sich auf seinem Antlitz aus. »Sie haben Recht, die Herren von Staats- und Kirchengehalt, tausendmal Recht: so ein unruhiger Kopf, so ein Schreier, der sich um Sachen annimmt, die ihm nichts eintragen und die ihn, genau besehen, eigentlich nichts angehen, nicht mehr als andere Leut' auch, das muß ein Lump sein oder Einer werden. Am besten, er ist's von Haus aus. So ein Mensch, der Alles, was er hat auf dem Leib trägt und dem kein Geldbeutel in der Hosentasch' zittert vor Angst, nach dem Niemand fragt: wo bist und wo bleibst? der kann wie der Soldat im Feld leben oder wie die Bettelleut'.«
    Ein altes Schelmenlied mit endlosen Strophen kam ihm hier in den Sinn, und im Weitergehen pfiff er die Weisung vor sich hin:
     
    Bettelleut han's gut, han's gut,
    Bettelleut han's gut,
    Bricht ihnen kein' Ochs das Horn,
    Frißt ihnen kein Maus das Korn u.s.w.
     
    Der Mund, der sich zum Pfeifen spitzt, kann sich nicht mehr so leicht griesgrämlich verziehen, und doch verfinsterten sich die Züge Luzians bald wieder. Er ging jetzt eben in's Feld, da die Menschen von demselben heimkehrten. Er sah in dem Gruße der Begegnenden etwas Gepreßtes, Niemand blieb stehen und Niemand fragte, wie sonst bräuchlich, wohin noch so spät?
    An der Halde, dort am Rand des Berges wo drunten im Thale der Waldbach rauscht und die Mühle schrillt, nicht lauter vernehmbar als das Zirpen des Heimchens hier neben im Brombeerbusche, dort saß Luzian auf dem Markstein und starrte hinein in die untergehende Sonne. Wie allmälig ist ihr Aufgehen und wie rasch ihr Untergang! Dort steht der glührothe Ball noch über dem jenseitigen Berge, und jetzt ist er hinab und der ganze Himmelsbogen steht in gluthbrennenden Flammen. Der Aufgang und der Niedergang der Sonne macht die Welt ringsum in blutig grellen Flammen erglühen, nur wo das helle Licht herrscht, schaut dich die Welt mannigfarbig an. Getrost! der helle Tag kommt immer wieder.
    Wie schwarze Schlangenbilder jetzt vor dem Auge Luzians vorüber huschten, so stieg auch vor seiner Seele ein dunkles Leid auf, das sich zum nächtigen Ungeheuer zu gestalten drohte.
    »Nichts nutz, Lumpenbagage ist die ganze Welt, und vorweg gar diese da meine Grundbirnenbäuerle, nicht werth, daß man sich einen Finger für sie naß macht. Sie müssen in alle Ewigkeit hinein Dreck fressen, es schmeckt ihnen ja wie Zuckerbrod. Denen da die Wahrheit verkünden? Das ist g'rad, wie wenn man einem blinden Gaul winkt. Sie sind nichts besseres werth, als was sie sind.«
    So dachte Luzian vor sich hin, und sprach es fast laut aus. Die Grundsuppe, in der alle Niedertracht der Gegenwart zusammenbrodelt, schien auch hier aufzukochen in dem Herzen eines Mannes, der mitten in den Reihen des Volkes stand. Denn

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