Schwarzwaelder Dorfgeschichten
und die Tannenreiser werden bald abgenommen, zu Reisigbüscheln für die Heizung zerhackt und gebunden.
Nur bei Brosi war die Festtagssonne noch nicht erloschen. Zwar gestattete er sich nur noch Tags darauf im Sonntagsgewand einherzugehen, und wenn ihn die Leute grüßten, meinte er, Alle müßten es ihm ansehen, wie glücklich er sei und seine feierliche Stimmung blieb noch lange Zeit. Er begriff oft gar nicht, daß die Leute so thaten als ob das gar nichts wäre, wenn er auf ihre Frage Wohin zur Antwort gab: »Ich gehe heim.« Wußten denn die Leute nicht, daß er zum Erstenmal in seinem Leben eine Heimath gefunden, und daß er jetzt ein doppelter Mensch war, daß er daheim eine wackere nette Frau sein eigen nannte? Ueber seine frohe Stimmung und das volle Erquicken an derselben vergaß er aber nicht, auf das Erste und Nothwendigste bedacht zu sein, und das war: eine Winterarbeit, einen Verdienst in der harten Zeit zu finden. Zwar begann man schon damals hier und dort Winterwerkstätten für Steinmetzen herzurichten, und da Brosi Steinmetz und Maurer war, hätte er wohl ein Unterkommen finden können; aber gleich den ersten Winter aus der neu gegründeten Heimath fortzugehen, konnte er sich nicht zumuthen. Es blieb also nur übrig, Arbeit im Orte zu finden, und da gab es nur eine einzige: Holz fällen in den umgrenzenden Wäldern, und wenn der Boden gefroren ist und sich eine Schneebahn darüber legt, das Gefällte auf Handschlitten thalwärts führen. Der Revierförster war nicht abgeneigt, gegen den damals üblichen Abzug von dem bedungenen Lohne zu seinen eigenen Gunsten Brosi Arbeit zu geben, und er durfte nicht lange zögern, denn ein junger Ehemann in seinen Vermögensverhältnissen mußte der übelsten Nachrede gewärtig sein, wenn er nur einen Tag müßig umherging. Die Waldarbeit wurde Brosi unsäglich schwer, er war von seinem Handwerk an ein stetiges und gleichmäßiges Arbeiten gewöhnt, aber diese oft plötzlichen Kraftanstrengungen ermüdeten ihn mehr als man bei seinem starkknochigen Körperbau vermuthen mochte.
Bald aber gelang es ihm, auch diesem Thun die heitere Seite abzugewinnen. Er nannte den gefrorenen Wald seinen überzuckerten Weihnachtsgarten, und wenn er vor Kälte hüpfte und mit den Händen schlägelte, sagte er immer, er führe jetzt den Friertanz auf. Er sprach zu den Bäumen, die er fällte, so entschuldigend freundliche Worte und bat sie unter allerlei Verbeugungen, doch gnädigst nicht so zäh zu sein und sich in ihr Schicksal zu finden, daß alle anderen Holzhauer sich herzudrängten, um mit ihm gemeinsame Arbeit zu machen. Wenn der Baum schwankte und krachend niederfiel, stieß Brosi immer einen hellen Juchschrei aus. Am glückseligsten war er aber doch, wenn er in sich hinein dachte, welch' ein »kugelig Weible,« wie er es stets nannte, er daheim habe, und manchmal verzehrte er verstohlen, um den Neckereien der Anderen zu entgehen, einen guten Bissen, den ihm Moni »hehlings« in die Tasche gesteckt hatte. Wenn er dann Abends heim kam und die Axt in einen Küchenwinkel stellte, wischte er sich behaglich Reif und Schnee aus dem Bart, stellte sich breitspurig, die Hände auf dem Rücken, vor seine Moni, die am Herde stand und schaute sie so lang an, bis sie lachte; dann sprach er ganz leise mit ihr, damit es die Mutter in der Stube nicht höre, und dieses Heimlichthun, das doch seine traurige Ursache hatte, erschloß wieder seinen besondern Reiz. Brosi und seine Frau waren immer wie zwei Liebende, die sich vor einem keifenden Vormunde nur verstohlen und heimlich nähern dürfen, denn das Apothekerrösle fluchte und schimpfte immer, wenn Brosi und Moni mit einander scherzten, und sagte, sie wollten es noch vergiften, um ihre Narretheien ungesehen treiben zu können. Sprachen sie einmal leise miteinander in der Stube, so heulte und wehklagte das Apothekerrösle, daß man es zehn Häuser weit hören konnte, und die Eheleute ihr Alles versprachen, wenn sie nur still sei. Moni hatte der Mutter einen Theil des Bettes nehmen müssen, und nun klagte diese stets über das hartherzige Kind, das ihr die Kissen unter dem Kopfe wegzöge, und das sie gewiß bald aus der warmen Stube vertreibe; aber sie gehe nicht fort und werde noch einen Menschen finden, der für sie den Vogt hole.
Brosi wollte der Mutter die entnommenen Bettstücke wieder zurück geben, aber Moni duldete das nicht, man dürfe nicht nachgeben, sonst sei man verloren. Moni suchte ihren Mann zu trösten über die schwere
Weitere Kostenlose Bücher