Schwarzwaelder Dorfgeschichten
verflözt oder auf der Achse befördert wurde. Lange bevor der Tag anbrach, zog die Mannschaft mit Fackeln hinaus in den Wald, ein Jeder trug seinen Schlitten mit den rasselnden Anhebketten den Berg hinauf. Es war ein seltsamer Anblick, diese Schaar in den Wald ziehen zu sehen: voraus gingen die Knaben, die nur beim Aufladen helfen mußten, sie trugen abwechselnd die Fackeln und drangen vor in die Finsterniß, als dränge man stets in eine tiefe Grube; dann kamen die Männer, auf den Schultern die Schlitten, deren Geleise nach vorn hornartig aufgebogen und gespitzt emporstanden, so daß die Männer wie ungeheuerliche Riesen mit seltsamen Umzäunungen erschienen; dazu das Rasseln der Abhebeketten, das Knarren der Tritte im harten Schnee und manchmal ein schlaftrunkenes Taumeln auf dem abschüssigen Wege oder gar ein Hinstürzen bei der Unachtsamkeit auf eine tückische Baumwurzel. Manchmal geschah es auch, daß die Fackeln durch unvorsichtiges Halten oder vergessenes Schwingen ausgingen, wo alsdann Alle nach einander und oft mehrere gemeinsam die glühenden Kohlen zu heller Flamme anzublasen suchten: und dabei nichts zuwege brachten als pausbackige glühende Gesichter, die während des Blasens nur bisweilen sich setzten um grimmig zu fluchen. Nachdem man mühsam ein Schwefelholz entzündet und nach einander alle, die man bei sich hatte, an die Fackel gehalten, bis es auf die Nägel brannte, mußte man oft eine Stunde lang auf dem Fleck stehen bleiben, wo man eben war; man durfte es nicht wagen in Finsterniß und Schneewehen weiter zu gehen, bis der Morgen anbrach. Ist schon das Warten in jeglicher Lage ein die innerste Verstimmung leicht aufreizendes, so war es hier noch weit mehr der Fall, man zankte und stritt sich über das geschehene Ungemach, und da man sich bei diesem Streite nicht sah, gab es oft die lustigsten Stimmenverwechslungen, und besonders der Brosi machte oft den Spaß, mit sich selber einen Streit anzufangen oder mitten im Gezänke die Stimme eines Unbetheiligten nachzuahmen und in seinem Namen tüchtig zu schimpfen. Man trappelte auf dem Platze hin und her, wo Eines einen Knaben unter die Hände kriegte, bekam er einen Knuff als muthmaßlicher Uebelthäter, und in das Zanken und Streiten mischte sich klägliches Weinen des Knaben und noch lauteres Schelten und Fluchen des betreffenden Vaters. Es war fast immer so finster, daß man einander in die Augen greifen konnte, und dabei stieß man sich noch gegenseitig mit den Schlitten auf die Köpfe, theils muthwillig, theils im Hader, wenn Einer seinen Schlitten abnehmen, und den Andern dadurch von seiner sichern Stelle verdrängen wollte.
Brosi verhielt sich in solchen Fährlichkeiten auch oft ganz ruhig, und wenn Alles durcheinander lärmte und schrie, schüttelte er sich nur und machte das Rollenhafter, das er sich umgehängt hatte, laut erklingen.
Es bedurfte seines ganzen unverwüstlichen Frohsinns, um in diesen Zänkereien und den darauf folgenden Mühen nicht bis zum Uebermaß verdrossen zu werden.
Hatte man dann seinen Schlitten geladen und die Sperre, die nur aus niederhängenden Scheitern in der Kette bestand, gehörig gerichtet, so galt es, weder der Erste zu sein, der den Anderen Bahn machte, noch auch einer der Letzten, der schon zu glatte Geleise vorfand. Es gelang Brosi nicht, weder mit Scherz noch mit nachdrücklichem Ernste eine feste Reihenfolge herzustellen, ja er wurde gehänselt und mit seinen Neuerungen barsch abgewiesen, weil er von Endringen gebürtig, ein Eindringling und einer der jüngst Eingetretenen war. Brosi war nun meist der Bahnmachende, er stellte sich in die Gabel seines Schlittens und leitete ihn den Berg hinab, bald anziehend, bald sperrend, je nachdem es der Weg mit sich brachte. Oft war es ihm, als müßte das Treiben ihm die Arme ausrenken, und das Ziehen die Brust herausstoßen und noch dazu das allezeit vorsichtige Umschauen auf den Weg und das Aufmerken auf die Genossen, die so unverzeihlich hart hinter ihm dreinkamen; aber Brosi war jung und gesund, und er freute sich dessen doppelt. War er im Thal angekommen, wo er sich zum Verschnaufen ein wenig ausspannte und sich den Schweiß von der Stirn wischte, so reckte und bäumte er sich mit Lust und fühlte die Kraft durch alle Glieder strömen; er sagte dann oft scherzend: »Das Ding ist doch gut, das macht Einem Gaulsknochen.« Das Ziehen im Thale war dann nur noch ein Kinderspiel, eine halbe Arbeit, und so oft er ausschnaufte, pfiff er einen lustigen Ländler
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