Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
doch auf drei Meilen gegen den Wind. Die Männer an der Theke konzentrieren sich auf ihr Bier, einer knurrt ein bisschen. Wir gehen die Treppe runter. Der Brückner und der Schulle gehen rein. Ich sichere die Tür. Ah, wunderbar: Zugriff.
*
Der Brückner fährt, ich bin auf dem Beifahrersitz, der Schulle sitzt hinten in der Mitte. Hinter uns auf der Straße, in zwei getrennten Streifenwagen auf dem Rücksitz in Handschellen: Caltzo und Rubsch.
»Totale Profis«, sagt der Schulle. »Die haben ja echt nicht mal gezuckt, als wir sie festgenommen haben.«
»Kann ich gar nicht glauben, dass die noch nie gesessen haben«, sage ich.
»Die sind ja offensichtlich nicht mal erkennungsdienstlich aufgefallen«, sagt der Schulle.
»Profis«, sagt der Brückner, und dann brummt er was von wegen Arschloch. Ein Porsche hat ihm gerade die Spur abgeschnitten.
»Schon cool, in der Ritze zu boxen«, sagt der Schulle.
»Machen Sie doch«, sage ich. »Das private Kiezverbot gilt nur für die Kollegen von der Davidwache.«
Der Schulle antwortet nicht. Als ich unauffällig zu ihm nach hinten kucke, macht er Boxbewegungen in Richtung Seitenfenster.
*
Der Calabretta hat mal wieder ziemlich verschlagene Kollegen aufgetrieben. Ich kann mich während der ganzen Gegenüberstellung nicht entscheiden, welche schlimmer ist: die Caltzo-Reihe oder die Rubsch-Reihe.
Die winzig kleine Oma aus Wilhelmsburg greift sich unerschrocken die echten Schurken raus.
»Der da, Nummer 4«, sagt sie, ein paar Sekunden nachdem Caltzo und seine Doubletten hinter der Spiegelwand aufmarschiert sind. Und Rubsch hat sich gerade erst positioniert, als sie schon sagt:
»Der Größte von denen, der ist es.«
Ich bin beeindruckt. Erstens: Ich wusste wirklich nicht, dass der Calabretta in so kurzer Zeit so viele Stiernacken zusammentrommeln kann. Zweitens: Der Stiernacken von Rubsch ist noch gewaltiger als die der anderen. Drittens: Die Omi ist wirklich schnell. Wir sollten wahrscheinlich alle mehr spazieren gehen. Das hält ja echt ordentlich frisch in der Birne.
Der Autoverleiher braucht ein bisschen länger, um sich festzulegen. Aber letztlich sagt auch er es ganz deutlich: Die beiden, die wir da vorhin aus dem Boxring gezogen haben, sind genau die Typen, die vor knapp zwei Wochen für ein paar Tage seinen goldenen Ford Taunus gemietet haben.
»Ich schätze, wir haben unsere Mörder«, sagt der Calabretta, und für zwei Sekunden ist es ganz still im Zimmer hinter der Spiegelwand. Irgendwie ist so was immer ein feierlicher Moment. Auch wenn zumindest der Calabretta und ich ganz genau wissen, dass es das hier noch nicht gewesen sein kann. Dass da noch mehr sein muss. Die Sache ist ein bisschen größer. Der Autoverkäufer räuspert sich. Ich schätze, der will los. Der Brückner merkt das auch und sagt zu dem Autoverkäufer und der kleinen Oma:
»Wenn Sie beide jetzt bitte mitkommen würden. Wir protokollieren schnell noch Ihre Aussagen, dann war’s das auch.«
Die Oma sieht den Faller an. Sie scheint fast ein bisschen traurig zu sein, dass es schon vorbei ist. Der Faller lächelt sie an, zwinkert dem Schulle zu, und der bietet der Oma den Arm und begleitet sie nach draußen. Ach, diese Jungs hier.
»Reicht auf jeden Fall für’n Haftbefehl«, sage ich, als unsere Zeugen mit dem Schulle und dem Brückner draußen sind. »Wäre aber gut, wenn wir bald noch was Handfestes hätten.«
»Also«, sagt der Calabretta, »die wirken nicht, als wären sie scharf drauf, Geständnisse abzulegen. Aber ich denke, die Hautpartikel unter Walt Tuckers Fingernägeln werden das für uns erledigen.«
Der Faller räuspert sich. Es ist die Art Räuspern, die was sagen will. Er steht jetzt in der hintersten Ecke des dunklen Zimmers, hat seinen Hut abgenommen und spielt an der Krempe herum.
»Die Frage ist ja nur«, sagt der Faller, »wer hat die beiden dafür bezahlt?«
Ja. Der Faller weiß natürlich auch, dass wir mit den beiden Kiezgestalten nicht die wirklichen Täter festgenommen haben. Der Calabretta holt den Pragmatiker raus.
»Es geht los, Leute«, sagt er und klatscht in die Hände. »Alle noch mal durchatmen und Pipi machen, wir treffen uns in einer halben Stunde in meinem Büro.«
Und dann sitzen wir bis in den Abend hinein zusammen und drehen alles, was wir bisher haben, durch unsere Köpfe. Bis wir das Gefühl haben, dass so langsam ein Bild entsteht.
Als ich später im Taxi nach Hause sitze und aus der dunklen Luft ein leichtes Schneegeriesel wird,
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