Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
hundert Jahren? Möglicherweise gibt es nur keine Spuren mehr davon.«
Er brachte es kaum fertig, ihr diese Hoffnung auch noch zu nehmen. »Vielleicht. Aber wir sollten uns um dringendere Dinge kümmern. Sie wissen, dass es Menschen gibt, die hinter Ihnen her sind?«
Sie schob den Stuhl zurück, stand auf und stellte sich dahinter, als ob von ihm Gefahr drohe. »Haben
Sie
mich unter Drogen gesetzt? Warum? Was wollen Sie? Hat das mit meinem Vater zu tun?«
Bernie konnte ihr nicht ins Gesicht schauen. Er starrte in das leere Wasserglas, versuchte das Gedankenchaos zu ordnen. Er hatte doch bloß das Richtige tun wollen. Wie hatte das alles bloß so furchtbar schieflaufen können? »Ich wollte Sie retten. An dem Abend, als Sie ins Klubhaus gekommen sind …«
»Da habe ich nach Ihnen gesucht.«
»Sie haben irgendetwas gesagt, dass Poppy verärgert hat. Er ist der Anführer der Reaper. Na jedenfalls hat er Ihnen Weasel auf den Hals gehetzt – und dem möchten Sie nicht begegnen, glauben Sie mir, mit dem ist echt nicht zu spaßen. Also hab ich, ich …« Er rang um Worte, die das, was er getan hatte, weniger schrecklich klingen ließen. Doch die gab es nicht. »Ich musste Sie da schnell und ohne großes Aufsehen rausholen, also hab ich Ihnen das Betäubungsmittel verabreicht, das ich noch für die Tiere hatte. Und Sie hierhergebracht.«
Sie wich vor ihm zurück, immer weiter, bis zur Wand. »Was wollen Sie?«
»Ich will gar nichts. Ich wollte nur helfen. Ich hatte keine Ahnung, dass das Mittel Sie so lange außer Gefecht setzen würde – Sie haben gesungen und unverständlich gekaudert. Deswegen habe ich Sie auch eingesperrt, als ich zur Arbeit musste. Wenn ich dort nicht aufgetaucht wäre, hätten die anderen Bescheid gewusst und hier nach Ihnen gesucht. Also musste ich gehen. Aber ich habe mir Sorgen gemacht, dass Sie sich vielleicht selbst verletzen oder loslaufen und sich verirren oder so. Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht so lange alleine lassen.«
»Wie lange? Welchen Tag haben wir heute?«
»Es ist Samstag.«
»Zwei Tage. Sie haben mich zwei Tage in diesem Kabuff gelassen?«
»Eineinhalb.« Ihre Augen weiteten sich vor Zorn, abwehrend hielt er die unversehrte Hand hoch. »Es tut mir leid, Lena. Aber die wollten Ihnen wehtun und das konnte ich nicht zulassen. Ich habe versucht, Sie zu beschützen, zu retten.« Er ließ den Kopf hängen. »Schätze, dabei habe ich mich nicht besonders klug angestellt.«
Typisch
, hörte er die Stimme seines Vaters sagen.
Mein Sohn,
der Versager
. Dad hatte recht. Er war ein Versager. Nur war es Lena, die jetzt eventuell dafür bezahlen musste.
Sie schwieg eine ganze Weile, in Gedanken versunken. »Wieso? Was wollen die von mir?«
»Ich hatte gehofft, dass Sie mir das sagen können, damit wir wissen, wie wir weiter vorgehen sollen.« Sein Magen revoltierte, die aufsteigende Säure brannte ihm in der Kehle. Er kramte in der Tasche nach seinen Tabletten. »Denn ich weiß es nicht.«
Caitlyn beschloss, mit Oren Parker alias Poppy zu sprechen, auch wenn der Sheriff sie gebeten hatte, sich von den Reapern fernzuhalten. So wie das gestern Abend ausgesehen hatte, war die Party im Klubhaus bestimmt immer noch in vollem Gange. Vielleicht würde sie sogar wieder auf Jacob Clay – Goose – treffen, besser noch Weasel, anderweitig bekannt als Lionel Underwood.
Zu schade, dass sie nicht genügend gegen die Männer in der Hand hatte, um sie festzunehmen, denn wäre das nicht ein fantastischer Start in den Tag? Aber das wussten die ja nicht. Vielleicht konnte sie diese Tatsache ausnutzen, um ein paar Antworten und damit auch eine ungefähre Vorstellung davon zu bekommen, in welche Richtung sie ermitteln sollte.
Es sei denn, Paul fand bei seinen Recherchen etwas heraus. Ansonsten war das, was Lena im Klubhaus der Reaper gesucht hatte, ihr einziger Anhaltspunkt.
Auf dem Parkplatz vor dem Klubhaus und auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor der Tankstelle hatten sich Motorradfahrer versammelt, die sich auf den Poker Run vorbereiteten. Sie schraubten an ihren Maschinen herum, es gab Stände, an denen Reaper-Kram verkauft wurde, und ein paar Imbissbuden. Mehrere Fernsehteams berichteten über das Ereignis. Ein Reaper, der den Verkehr regelte, hielt sie an.
»Zuschauer können am Fluss parken«, sagte er und deutete auf die schmale Straße hinter dem Klubhaus. »Dort gibt es Gratisparkplätze und Picknicktische.«
Die Temperaturen lagen knapp über dem Gefrierpunkt,
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