Schweizer Ware
Auch der Oberschenkel und der Fußknöchel müssten untersucht werden. Das eilte aber nicht unbedingt. Zuerst wollte der nette, gemütliche Riehener Dorfpolizist mit den vier Spitzbuben einen kleinen Schwatz halten.
14
Im großen Zimmer im Verwaltungsgebäude des Friedhofs Hörnli wurde es langsam gemütlich. Es roch nach Desinfektionsmittel und Kaffee mit einer Herznote von Angstschweiß. Während sich der Friedhofsgärtner weiter um den armen Regazzoni kümmerte, hatte der jüngere der zwei Wächter eine große Kanne Filterkaffee aufgesetzt. Der wurde jetzt verteilt.
Der dicke Dorfpolizist betrachtete die Szene. Ein kümmerliches Häufchen hatten sie hier eingesammelt. Drei Typen lädiert, einer davon schon von Beginn weg an Krücken, sowie noch ein weiterer, der sich nicht getraute, ihn anzusehen. Er stellte sich vor ihn hin und schaute auf den schweigsamen, stattlichen Mann hinunter, der seinem Blick auswich und die Tasse Kaffee in der Hand drehte, aber daraus nicht trank.
»Na, Heinzmann, keine Lust?«, fragte der Dorfpolizist.
Heinzmann antwortete nicht.
»Du trinkst doch sonst gerne Kaffee, Stefan«, neckte ihn der Dicke und schob sein Hemd, das ihm hinten aus der Hose gerutscht war, in den Bund zurück. Dann strich er es von hinten den Gürtel entlang, um es zu straffen. Es sah aus, als würde er eine riesige Pauke, die er vor seinem Körper hielt, in Segeltuch einpacken.
Der Basler Wachtmeister antwortete dem Dicken nicht. Er, der sonst doch so gerne plauderte.Das erstaunte selbst Baumer und er sah abwechselnd von Heinzmann zum runden Dorfpolizisten und zurück. Schließlich sah der ertappte Wachtmeister zum Beamten auf, der wuchtig vor ihm stand. »Hör zu, Walti«, sagte er zum Bauch vor sich. »Mach’s schnell, wir haben noch zu tun.«
»Hört, hört. Der Mössiö muss noch schaffen gehen. Was hast du denn heute Abend noch vor, Heinzmännli, wollt ihr noch ein weiteres Grab ausheben?«
»Schweinerei, so was«, zischte einer der Nachtwächter. Er war offensichtlich in seinem Berufsstolz getroffen und musste auch zeigen, dass er Beamter war.
Stefan richtete sich auf und versuchte zu erklären »Walti, du kennst mich.«
»Oh ja«, entgegnete Walter Zumstein sofort jovial. Er drehte sich zu den anderen Leuten im Raum. Es sah aus, als drehe sich ein Elefant. »Ja, ja, Leute. Ich kenne diesen Stefan. Gestern noch hat er in die Hose geschissen und heute gräbt er schon Leichen aus.«
»Walti!«, stöhnte Heinzmann, indem er den Kopf senkte, die Augen schloss und sich mehrmals mit der Faust an die Stirn schlug.
»Was hast du denn, Stefan?«, trompetete der Elefant vor ihm. »Kannst du keinen Spaß mehr ertragen?«
»Walti, hör jetzt einmal zu!«, sprach Heinzmann ernsthaft zum Fußboden vor seinen Füßen und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Das hielt er aber nicht aus, denn er sprang auf und positionierte sich direkt vor den Bauch von Zumstein. Er redete nun auf die Brust vom Dicken ein. »Es geht um eine extrem wichtige Sache.«
»Das habe ich schon gemerkt«, bemerkte der, sich zu seinen Kumpanen umdrehend. Es sah aus, als ob ein Lehrer alter Schule die Schüler fragt, was sie zur Antwort von Klein-Stefan meinen. Ob die wohl richtig sei? Prompt begann der Musterschüler von Wächter höhnisch zu lachen.
Heinzmann ignorierte den Wadenbeißer und sah Zumstein verärgert an. »Walti, verdammt. Hörst du jetzt endlich zu? Es geht um Mord.«
»Richtig«, mischte sich Baumer ein. »Es geht um Mord.«
»Schau, schau«, tat Zumstein erstaunt. »Da ist ja noch einer wach geworden. Tut Ihnen der Kaffee also gut? Welche Art Vogel sind denn Sie?«
Baumer spürte, dass diese Sitzung noch lange dauern würde. Er sagte nichts, nahm einen Schluck Kaffee.
Heinzmann sprach für ihn. »Das ist Andreas Baumer, mein Kollege. Er ist Kriminalkommissar.«
»So, so. Sie sind also dieser berühmte Herr Kommissar Baumer – lizenziert in Basel. Gratuliere! Schön gemacht. Diese Aktion steht Ihrem Ruf in nichts nach.«
Baumer sank in seinem Sessel zusammen. Das könnte noch ewig dauern heute Nacht.
Heinzmann hingegen ließ sich nicht beirren. Er begann wieder von ganz vorne. »Also hör mir jetzt einmal ganz genau zu, Walti«, bat er Wachtmeister Zumstein, seinen allerersten Patrouillenchef, mit dem er in der Stadt Streife gefahren war, um Aufmerksamkeit. Er hoffte, dass ihre gemeinsame Zeit noch zu irgendetwas nützen könnte.
Das war jedoch schon eine Ewigkeit her. Zumstein war in Frühpension gegangen. Aber
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