Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
Vom Netzwerk:
er hatte es dann doch nicht lassen können. Es war ihm bald langweilig geworden, und er hatte als Dorfpolizist in Riehen angeheuert. Dort konnte er sein geliebtes Métier erneut ausüben, denn er war Polizist mit Leib und Seele. Insgesamt war es in dieser reichen Vorstadt auch weniger stressig als im Kleinbasel. Das war ihm in seinem fortgeschrittenen Alter grad recht. Natürlich waren einige seiner neuen Kunden durchaus aggressiv. Allerdings töteten kriminelle Riehener eher mit Worten denn mit Kugeln. Und selten im Affekt, sondern nach fein ziselierter Strategie.
    Zumstein genoss den Moment, da endlich wieder einmal etwas Interessantes los war in seinem Vorstädtchen. Ein Kriminalkommissar, ein Basler Polizeiwachtmeister, ein Journalist vom Blick und ein promovierter Gerichtsmediziner hatten eine Leiche ausgegraben. In seinem verschlafenen Riehen, dieser Schlaf- und Steuerspargemeinde neben Basel! Das war schräg und obskur zugleich. Andererseits wusste er nicht recht, wie weiter. Störung der Totenruhe war kein leichtes Vergehen. Und diese vier Figuren hatten ja nicht nur ein paar dunkle Beschwörungen gemurmelt. Sie hatten die Leiche von oben bis unten aufgeschlitzt. Na ja. Das Kleid immerhin. Der Journalist hatte sogar noch Fotos von der nackten Frau geschossen. Kaltblütig dieser Mann. Das musste man ihm lassen. Wenigstens hatten sie nicht irgendein muslimisches Grab geschändet. Das hätte der berühmte Funke in Basel sein können. Zumstein wollte gar nicht daran denken, wie das hätte enden können.

    Trotzdem.

    »Da kommt einiges zusammen. Stefan. Das ist nicht Nichts«, warf Zumstein mit Bass in der Stimme seinem alten Kameraden vor.
    »Ja, ich weiß. Aber es ging nicht anders.«
    »Ich muss euch anzeigen.«
    »Das sehe ich auch so«, bemerkte der zweite Riehener Dorfpolizist, der bis dahin geschwiegen hatte, trocken. Er legte die Arme ineinander.
    Baumer stemmte sich hoch. Er war erregt. »Nein, kein Aufsehen jetzt!«
    Der eine Wächter sprang hinzu. »Kein Aufsehen? Ihr habt doch für das Chaos gesorgt. Ihr … ihr …«
    Baumer stieß den Wächter mit einem tödlichen Blick zurück. Er wandte sich an die Pauke.
    »Bitte. Ich bitte Sie inständig. Es geht um Mord. Es muss sein. Regierungsrat Schläfli ist informiert. Rufen Sie ihn an!«
    »Was? Der Schläppli ist auch dabei?«, höhnte einer der Nachtwächter und schnitt eine Grimasse.
    Baumer ignorierte den Wächter, sprach weiter zum Dicken.
    »Schläfli leitet die Aktion. Es geht um mehrere Todesfälle.«
    Walter Zumstein rieb sich mit der rechten Hand das Kinn, auf dem seit der fernen Morgenrasur bereits wieder graue Stacheln glitzerten. Sein linke stützte er derweil auf der Hüfte auf, das heißt, aufgrund seines Umfangs lag die Hand mehr auf den Schwimmringen, die er ständig mit sich führte. Der Dorfpolizist wandte seinen Kopf einem Gauner nach dem anderen zu, die sie hier im Zimmer versammelt hatten. Für ihn sah es aus, als ob sich kleine Planeten um ihn drehen würden. Diese Planeten bildeten ein lustiges Sonnensystem. Es bestand aus: Erstens einem wimmernden Gerichtsmediziner, zweitens einem lädierten Reporter, drittens einem Kommissar auf Krücken und viertens einem Stefan Heinzmann, einem Kollegen und Freund, der sich nicht mehr getraute hatte, ihm richtig in die Augen zu blicken. Die Sonne selbst war Zumstein. Er bildete in all dem Chaos den Fixstern und musste jetzt entscheiden, wie es weiterging.
    »Bitte Walti, ruf Schläfli an«, wiederholte Heinzmann.
    Baumer schwieg, sah Zumstein aber in die Augen.
    Der Riehener Dorfpolizist fasste unter seine riesige Trommel. Er hob sie an, wie ein Pauker einer »Guggenmusik« an der Basler Fasnacht sein Instrument anhebt, um für einen kurzen Moment seinen Schultern Entlastung zu geben. Dann ließ Zumstein den Fettbauch wieder fallen. Er fasste sich ans Hemd hinten, strich es wieder in die Hose, fuhr mit dem Hemd den Hosenbund entlang und wickelte die Pauke erneut ein. Er tauschte einen Blick mit seinem Patrouillenkollegen. Der sah ihn fragend an. Schließlich schnalzte Walter Zumstein einmal laut und murmelte irgendetwas Unverständliches. Er setzte sich ans Telefon und wählte eine ganz bestimmte Nummer.

    *
    Allmählich wurde es eng im großen Zimmer im Verwaltungsgebäude des Friedhofs Hörnli. Obwohl alle müde waren, es war schon nach drei Uhr nachts, wollte niemand nach Hause gehen. Die Wächter und der Gärtner hatten keine Lust, sich die Show entgehen lassen. In wenigen Minuten würde

Weitere Kostenlose Bücher