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Schwelbrand

Schwelbrand

Titel: Schwelbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Straßenbeleuchtung sah er eine Gestalt, die auf der Rasenfläche vor dem Amtsgebäude stand und etwas durch das Fenster warf. Dann rannte der Unbekannte zum Auto, das schon beschleunigte, bevor die Beifahrertür geschlossen war, und Richtung Klixbüller Chaussee verschwand.
    Bierhenke vergaß, an seiner Zigarette zu ziehen. Er war stehen geblieben und schaute fassungslos auf das Geschehen. Es dauerte einen Moment, bis er es so richtig aufgenommen hatte. Dann zuckte er und krümmte sich instinktiv zusammen, als ein lauter Knall die nächtliche Ruhe durchdrang und das zweite Doppelfenster mit den Sprossen rechts vom Eingang aus der Verankerung gerissen wurde. Die Explosion wirkte in der Stille der Nacht besonders laut.
     
    Auch in Lüders Patchworkfamilie unterschied sich der Sonnabend von anderen Wochentagen. Das lag sicher nicht nur an der Umverteilung der Schlafgelegenheiten. Sinje hatte ihr Zimmer für Jonas räumen müssen und die Nacht zwischen ihren Eltern verbracht, während Jonas in ihr Zimmer umgezogen war und sein Reich Große Jäger überlassen hatte.
    Heute schliefen alle ein wenig länger. Sinje war die Erste, die erwachte. Mit einem Kichern kniff sie Lüder in die Nase, bis er auf das Spiel einging und sie zu kitzeln begann. Unwillig versuchte Margit, die Bettdecke über den Kopf zu ziehen, aber Sinje bezog ihre Mutter bald mit ein. Die empfand wenig Vergnügen an dieser morgendlichen Betätigung, stand auf, reckte sich und wollte ins Bad, das sie jedoch verschlossen fand. Margit rüttelte an der Tür.
    »Viveka?«, fragte sie, da sie sich nicht vorstellen konnte, dass Thorolf am Wochenende freiwillig sein Bett verließ.
    »Wilderich«, antwortete Große Jägers sonore Stimme aus der Nasszelle. Mit einem Achselzucken tapste sie in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten.
    Wenig später erschien der Oberkommissar, ließ sich erklären, wo der Bäcker sein Geschäft hatte, und besorgte Brötchen.
    Nach und nach tauchten auch die anderen Mitglieder der Familie auf, abgesehen von Thorolf und Viveka, die mindestens bis zur Mittagszeit verschollen bleiben würden.
    Sie waren beim Frühstück, als aus den Tiefen der Jeans des Oberkommissars der »Triumphmarsch« aus »Aida« erschallte. Er fingerte sein Handy hervor, sah auf das Display und meldete sich mit einem Knurrlaut. Nachdem er eine Weile gelauscht hatte, brummte er: »Endlich einmal eine gute Nachricht«, und schob ein »Wir kommen« hinterher.
    Margit öffnete den Mund, als wollte sie protestieren, unterließ es aber doch. Es hätte keinen Sinn gehabt.
    »In Leck hat jemand heute Nacht das Finanzamt in die Luft gejagt«, sagte Große Jäger.
    Jonas hörte sofort auf zu kauen. »O geil«, rief er mit vollem Mund und beugte sich zum Oberkommissar. Er kroch fast in Große Jäger hinein. »Erzähl«, forderte er ihn auf.
    »Da gibt es nichts zu berichten. Mehr wissen wir noch nicht.«
    »Viele Leichen?«, wollte Jonas wissen und wurde prompt von seinem Vater mit einem Ordnungsruf ermahnt.
    »Viele Leichen?«, fragte auch Sinje und hielt sich die beiden Hände vor den Mund, als sie kicherte und dabei ihren Bruder aus den Augenwinkeln ansah.
    Lüder aß sein Brötchen zu Ende und trank den Inhalt seiner Tasse aus, bevor er mit dem Oberkommissar aufbrach. Wieder einmal ließ er seine Familie am Wochenende zurück, der erneut demonstriert wurde, dass der Vater keinen normalen Beruf ausübte.
     
    Als Lüder und Große Jäger eintrafen, waren bereits die Beamten der Kriminalpolizeiaußenstelle Niebüll und das Team von Klaus Jürgensen aus Flensburg vor Ort. Sie überwanden die Absperrung vor dem Gebäude des Finanzamts und trafen im Flur den Leiter der Spurensicherung.
    »Kannst du uns sagen, warum es ›bum‹ gemacht hat?«, fragte Große Jäger.
    »Erst einmal heißt es: ›Guten Tag, lieber Klaus. Schön, dass ihr so schnell hierhergekommen seid.‹«
    »Nun stell dich nicht so an. Das ist fast ein Heimspiel. Dreißig Kilometer von Flensburg. Was sollen wir sagen?« Dabei sah der Oberkommissar Lüder an.
    Der vermied es, Hauptkommissar Jürgensen die Hand zu geben, da dessen Hände in Latexhandschuhen steckten.
    »Moin«, grüßte Lüder. »Gibt es schon erste Erkenntnisse?«
    »Nur das, was Sie hier sehen.« Dann räusperte sich Jürgensen, eine seiner Eigenheiten.
    Lüder sah sich um. Der Raum sah wüst aus. Die Fenster waren aus dem Rahmen gerissen. Das Mobiliar war vernichtet. Jürgensen bemerkte Lüders Blick.
    »Das ist atomisiert.«
    Lüder

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