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Schwelbrand

Schwelbrand

Titel: Schwelbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Weste, als der Oberkommissar eine direkt auf ihn gezielte Kugel angeflogen kommen sah und blitzschnell reagierte, die Jacke auszog und das Geschoss damit auffing.
    Margit hatte nach der zweiten Flasche Rotwein, die die Erwachsenen leerten, ihren inneren Frieden mit dem Besuch geschlossen. Lüder lehnte in einer Sofaecke und lauschte dem munteren Dialog, während Große Jägers Geschichten immer gewagter wurden, je näher der Pegel von Lüders gutem Single Malt sich dem Flaschenboden zuneigte.
    Die Zeit war weit vorangeschritten, als auch die mutigsten Polizisten die Müdigkeit überfiel.

DREI
    Die Gemeinde Leck liegt nahe der dänischen Grenze. Knapp achttausend Menschen leben hier. Der Name ist jenen ein Begriff, die sich an das hier früher beheimatete Aufklärungsgeschwader »Immelmann« erinnern, an die Starfighter und Phantoms. Rio Reiser, der »König von Deutschland«, lebte in der Nähe. In der Gemeinde ist mit der Buchdruckerei Clausen & Bosse nicht nur eine der größten deutschen Druckereien, sondern auch einer der größten Arbeitgeber Schleswig-Holsteins beheimatet. Dass Leck auch Standort des Finanzamts Nordfriesland ist und in der Kreisstadt Husum eine Außenstelle residiert, dürfte nur den Einheimischen bekannt sein.
    Die Finanzverwaltung versteckt sich in der Eesackerstraße, einer ruhigen Wohnstraße. Der unscheinbare Bau aus den für Norddeutschland typischen dunkelroten Klinkern lag eingebettet zwischen Einfamilienhäusern aus dem gleichen Material. Erst beim Näherkommen erkannten Ortsfremde am unauffälligen Schild links neben der hölzernen Tür mit dem Rautenmuster die Funktion des Gebäudes. Zwischen den beiden Türflügeln und der Laterne oberhalb des Eingangs prangte in dunklen Lettern »Finanzamt« in schwarzer Schrift.
    Die beiden Fahnenmasten im gepflegten Vorgarten waren zu dieser späten Stunde unbeflaggt. Im schwachen Licht der Laternen von der gegenüberliegenden Straßenseite waren die orangefarbenen Beeren der sorgfältig gestutzten Büsche an der Wand des einstöckigen Gebäudes kaum auszumachen. Die fünf Fenster auf jeder Seite des Eingangs waren symmetrisch angeordnet.
    Jan Bierhenke waren die Ortlichkeiten vertraut. Er hatte seine Freundin am Wiesengrund besucht, wo die junge Frau mit ihrem Kind wohnte. Jetzt war er auf dem Weg zu seiner Wohnung.
    Wohnung? Er lebte noch im Hause seiner Eltern in der Dünenstraße, auf der Rückseite des Finanzamts. Als gelernter Maler und Lackierer war es schwierig, in dieser strukturschwachen Region einen dauerhaften Arbeitsplatz zu bekommen. So war er beim größten Arbeitgeber der Gemeinde Leck untergekommen, der zahlreichen Menschen Arbeit bot: Europas größter Taschenbuchdruckerei, die Nichteingeweihte kaum nahe der dänischen Grenze vermuten würden.
    Bierhenke hatte noch einen kleinen Umweg eingeschlagen, um sich eine neue Packung Zigaretten aus dem Automaten zu ziehen, und war quer über den Parkplatz gelaufen. Zur Linken erstreckte sich das neue Rathaus mit dem Schild »Jetzt abonnieren« im Vorgarten, mit dem das gebeutelte Landestheater um neue Besucher warb. Die fast idyllisch wirkenden Laternen gaben nur ein schwaches Licht, das die freie Fläche hinter dem Parkplatz, auf dem der Lecker Jahrmarkt stattfand, ins Dunkle tauchte.
    Der junge Mann ignorierte seine Umgebung ebenso wie den Regen, der ihn mittlerweile völlig durchnässt hatte.
    »Junge, nimm einen Schirm mit. Oder setz eine Mütze auf«, hatte seine Mutter gemahnt. Es war fast eine Trotzreaktion, dass Jan Bierhenke nicht auf sie gehört hatte. Mit siebenundzwanzig glaubte er selbstständig genug zu sein, auch wenn er gern die Leistungen des Hotels Mama in Anspruch nahm.
    Er bog in den Durchlass ein, der als Fußweg vom Rathaus zur Eesackerstraße diente. Im schwachen Schein der Laternen zogen dunkle Schatten über die Hecke, die die linke Seite begrenzte. Die Fenster des Hauses hinter dem Flechtzaun auf der anderen Seite waren schon dunkel. Leck war ein friedliches Örtchen. Hier konnte man ohne Befürchtungen auch dunkle Wege gehen.
    Der Weg mündete gegenüber dem »Haus der Jugend« in die Straße. Bierhenke bog links ab. Bis zur Dünenstraße waren es knapp einhundert Meter auf der menschenleeren Straße. Der junge Mann schreckte aus seinen Gedanken auf, die noch einmal um den Besuch bei seiner Freundin kreisten, als er einen Knall hörte. Glas schepperte. Er bemerkte die Rücklichter eines Pkws, der vor dem Finanzamt stand. Im diffusen Licht der

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