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Schwelbrand

Schwelbrand

Titel: Schwelbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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überlaufen und zog Massen von Besuchern von nah und fern an. Trotzdem gehörte es für Lüder zum vorweihnachtlichen Pflichtprogramm, den Buden rund um das Lübecker Rathaus einen Besuch abzustatten.
    »Wer kommt denn?«, fragte er beiläufig. Es sollte uninteressiert klingen, was ihm misslang.
    Margit baute sich vor ihm auf, gab ihm einen Kuss, lächelte und stupste ihn mit der Spitze ihres Zeigefingers auf die Nasenspitze. »Ach, nichts Besonderes. Du kennst sie nur entfernt, weil du nie Zeit hast.«
    »So? Nun sag schon.«
    Sie lachte schallend auf. »Ich sagte ja, du kennst sie kaum.« Sie schenkte ihm ein herzhaftes Lächeln und verließ die Küche. An der Tür blieb sie stehen. »Unsere Gäste haben übrigens einen weiteren Weg hinter sich. Sie kommen aus Kellinghusen.«
    Das wirkte mehr als jede verbal vorgetragene Vorhaltung, dass Lüder – wieder einmal – am Wochenende keine Zeit für die Familie hatte. Es waren seine Eltern, die ihren Besuch angekündigt hatten.
     
    Die Räume im Landeskriminalamt waren verwaist. Am Wochenende herrschte hier gähnende Leere. Margit hatte ihnen eine Thermoskanne mit Kaffee und ein paar belegte Brötchen mitgegeben, und Lüder hatte Große Jäger den Zugang zum Rechnersystem in einem benachbarten Büro ermöglicht.
    »Ich möchte, dass wir unsere Dateien durchforsten, wer als möglicher Täter in Frage kommen könnte«, erklärte er Große Jäger. »Wer einen solchen Mord plant, der ist kein Anfänger. Zur Tatausführung gehört so viel Brutalität und Menschenverachtung, dass ich das nur jemandem zutraue, der jenseits der Humanität angekommen ist. Wir suchen extrem gewaltbereite Täter, die mit Sicherheit schon früher straffällig geworden sind. Und wenn es Querverweise zu Brandstiftern gibt, wäre es umso erfolgreicher.«
    »Ich gehe nicht davon aus, dass die Täter zwangsläufig aus dem politischen Umfeld stammen«, wandte Große Jäger ein.
    »In diesem Punkt stimme ich dir zu. Wir haben noch keine Erklärung zum Motiv der Täter, aber –«
    »Das könnte schlicht Geld sein«, unterbrach ihn der Oberkommissar. »Was auch immer die Drahtzieher bewegen mag, sie könnten sich professioneller Handlanger für das schmutzige Geschäft bedienen.«
    »Damit würden sich die Hintermänner, wenn es sie geben sollte, aber in eine gewisse Abhängigkeit begeben«, sagte Lüder. »Die ausführenden Mörder hätten Druckmittel gegen die Auftraggeber in der Hand.«
    »Und wenn die Planer und die ausführende Abteilung demselben Verein angehören? Dann wäre dies kein Problem.«
    Lüder schüttelte den Kopf. »Auch mit viel Phantasie kann ich mir nicht vorstellen, dass eine ausländische Macht solch perfide Aktionen bei uns durchführen lässt. Kein zivilisierter Staat schickt so offenkundig sein Killerkommando durch die Welt. Das gab es nicht einmal zu den schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges.«
    »Na ja«, entgegnete Große Jäger. »Es könnte auch aus der terroristischen Ecke kommen.«
    Lüder nickte versonnen. »Daran habe ich auch schon gedacht.« Er tippte mit dem Zeigefinger gegen den Rand seines Bildschirms. »Dann haben wir unter Umständen Probleme, jemanden zu finden, der als Täter in Frage kommt, es sei denn, uns liegen schon Erkenntnisse von Aktivisten aus diesem Umfeld vor. Wir werden morgen sofort Kontakt zu den Kollegen vom Verfassungsschutz aufnehmen.«
    »In diesem Punkt sind wir provinziell«, sagte Große Jäger. »Andere Bundesländer haben ein eigenes Landesamt für den Verfassungsschutz.«
    »Bei uns ist es eine Abteilung des Innenministeriums«, setzte Lüder den Gedanken fort. »Das bedeutet aber nicht, dass dort weniger effizient gearbeitet wird. Vielleicht hat auch das Bundesamt in Köln Erkenntnisse vorliegen, die uns weiterhelfen. Doch zunächst die Ochsentour.«
    »Man muss schon ein kleiner Beamter sein, um sich am Wochenende solchen Vergnügungen hinzugeben«, brummte Große Jäger und trottete ins Nebenzimmer.
    Lüder durchsuchte in den nächsten Stunden die Dateien nach möglichen Tätern. Immer wieder veränderte er den Suchalgorithmus, fand potenzielle Verdächtige, verfeinerte die Suche und begann, erneut in den Dateien zu forschen. Mehrfach war Große Jäger aufgetaucht, um sich und Lüder eine kurze Pause in der von hoher Konzentration geprägten Arbeit zu gönnen. Die Thermoskanne mit Kaffee war schon lange leer, der Oberkommissar war zwischendurch auch vor die Tür verschwunden, um seiner Nikotinsucht zu frönen, bis er am späten

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