Schwelbrand
Studium erarbeitet.«
Lüder sah, wie Große Jäger tief Luft holte, und fuhr schnell dazwischen, bevor der Oberkommissar erzählen konnte, dass Lüder auch Jurist war. »Nun haben Sie sich das zweite Mal selbst auf die Schulter geklopft, dabei aber meine Frage nicht beantwortet.«
Kutulus zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.
»Die Frage ist, ob Sie das alles durch die Vertretung Ihrer Landsleute verdienen. Oder haben Sie noch andere Quellen?«
Der Anwalt hielt das Glas in Lüders Richtung, als würde er damit auf ihn zeigen wollen.
»Wenn Sie auch nur ein wenig mehr als Ihre paar Formeln vom deutschen Recht verstehen würden, wüssten Sie, dass ich der anwaltlichen Schweigepflicht unterliege. Und was heißt hier ›Landsleute‹? Sicher haben Sie schon Erkundigungen über mich eingezogen und festgestellt, dass ich Deutscher bin. Wie Sie, meine Herren.«
Was hatte Mennchen vom Verfassungsschutz über den türkischen Anwalt gesagt?, fiel es Lüder wieder ein. Kutulus sei ein Januskopf, der Mann mit den zwei Gesichtern.
»Es geht um ein schwerwiegendes Verbrechen«, sagte Lüder.
»An einem Kollegen«, ergänzte Große Jäger.
»So?« Der Rechtsanwalt hatte die Lippen gespitzt. »Sie machen also einen Unterschied, ob ein Polizist das Opfer ist oder ein anderer Bürger, womöglich sogar ein Ausländer.«
»Sparen Sie sich Ihre Spitzfindigkeiten«, fuhr Lüder den Anwalt in scharfem Ton an. »Das verfängt bei uns nicht. Halil Kayacik hat das Video, auf dem der Mord gefilmt war, ins Internet eingestellt.«
»Er hat Ihnen erklärt, wie er zu den Bildern gekommen ist. Beweisen Sie ihm das Gegenteil.«
»Wir suchen den Mann, der Halil die Videosequenz überspielt hat.«
»Das ist Ihre Aufgabe. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.«
»Ist Halil Kayacik Ihr Mandant?«
Kutulus bewegte lässig seine Hand mit dem Glas. »Das würden Sie erfahren, wenn Sie gegen den Jungen vorgingen.«
»Sie wiegeln die Bewohner Gaardens auf. Warum?«
Der Rechtsanwalt lächelte Lüder an. »Absurd, was Sie da vortragen.«
»Sie haben sich an einer rechtlichen Grenze bewegt, als Sie die Drohungen gegen uns ausgesprochen haben«, mischte sich Große Jäger ein.
Kutulus sah den Oberkommissar nicht einmal an, als er Lüder antwortete: »Hat der da auch etwas zu sagen?«
»Nein. Ich bin zum Beißen mitgekommen«, sagte Große Jäger und fletschte die Zähne wie ein Jagdhund. Lüder wusste, dass die sonst so wirksamen Mittel, die Große Jäger anwendete, bei Hasan Kutulus nicht verfingen. Der Oberkommissar konnte den Anwalt nicht damit erschrecken, dass er sein zerfleddertes Notizbuch mit den Kalenderdaten aus dem letzten Jahrhundert zückte und vorgab, »die Polizei« notiere etwas.
»Ich versichere Ihnen, dass wir Ihren wunden Punkt aufdecken werden«, sagte Lüder.
»Ist das eine Drohung?«, gab der Anwalt scharf zurück.
»Im Unterschied zu Ihnen drohen wir nicht, sondern handeln.«
»Wie kommen Sie eigentlich mit Ihren christlichen Mitbürgern zurecht?«, fragte Große Jäger und beugte sich vor, als würde ihn die Antwort besonders interessieren.
Kutulus stutzte und wirkte für einen Moment ratlos. Auch für Lüder war die Frage völlig ohne Zusammenhang gestellt.
Große Jäger drehte seinen Zeigefinger in Höhe seiner Stirn in der Luft, als würde er die Gedanken ankurbeln wollen.
»Ich meine, mit jenen, die eine besonders hartnäckige Linie verfolgen, wie Pastor Berchelmann aus Schleswig«, schob Große Jäger hinterher.
»Berchelmann«, stieß Kutulus fast hastig hervor, sodass Lüder überrascht war über die Reaktion. »Das ist ein Extremist, ein Fanatiker.«
»Interessant«, nahm Lüder das Thema auf. »Die Herren kennen sich.«
»Auf solche Bekanntschaften verzichte ich gern. Der Mann verfolgt gefährliche Ideen. Das sind die wahren Hassprediger, die zu Gewalt gegen Ausländer aufrufen. Von wegen christliche Nächstenliebe und Toleranz. Solchen Leuten sollten Sie Ihre Aufmerksamkeit widmen.«
»Und Sie in aller Ruhe gewähren lassen«, sagte Lüder, »Ihnen einen rechtsfreien Raum in Kiel-Gaarden zur Verfügung stellen, in dem unsere Rechtsordnung keine Anerkennung findet, in dem Sie ein Umfeld nach Ihren Vorstellungen schaffen.«
Große Jäger bewegte den Zeigefinger, als würde er einem kleinen Kind drohen. »Das ist gefährlich. Unser alter Kaiser Wilhelm wollte auch ganz viele Kolonien rund um den Globus schaffen. Und? Was ist daraus geworden?«
Der Anwalt sah ein wenig ratlos aus. »Ich verstehe
Weitere Kostenlose Bücher