Schwere Schuld / Der Wächter meiner Schwester - Zwei neue Romane in einem Band
Und ich war so allein und einsam und …«
Sie schluchzte. Amanda bot ihr ein Papiertaschentuch an. »Und was haben Sie dann gemacht?«
»Ich hab das Sofa wieder hingestellt und ein Kissen draufgelegt, aber das machte mich nur wütender. Und ich kam mir so blöd vor. Und ich hatte Angst … Ich weiß nicht, wer Davida umgebracht hat, ehrlich, ich schwöre, ich weiß es nicht!«
»Okay, wir glauben Ihnen.« Und das tat Barnes auch … gewissermaßen. Sie schien zu hysterisch zu sein, um es durchzuziehen. Aber er würde sich nicht frühzeitig festlegen, weil er schon mal getäuscht worden war. »Sie hatten Angst, weil sie alleine waren. Was dann?«
»Ich bin vollkommen durchgedreht«, sagte Minette. »Ich fing an zu denken - wissen Sie, wie das ist, wenn Ihr Verstand irgendeine Richtung einschlägt und einfach immer weitergeht? Das ist mit mir passiert, meine Gedanken haben das Heft in die Hand genommen. Dass derjenige, der Davida auf dem Gewissen hatte … vielleicht ist er schon unterwegs, um mich zu erledigen. Und ich saß da ganz allein in der Wohnung, die jetzt ein einziges Chaos war. Ich hatte so
viel Angst! Ich wollte die Polizei rufen. Aber es kam mir blöd vor, ihnen zu sagen, dass ich durchgedreht war und Angst hatte … wissen Sie?«
»Dafür sind wir da«, sagte Barnes.
»Yeah, genau!« Minette trocknete sich die Augen mit einem Papiertaschentuch. »Ihr seid schnell mit einem Strafzettel zur Hand, aber wenn ich jemandem gesagt hätte, dass ich Angst habe, ich wette, dann wäre kein Cop zu mir gekommen.«
Da war was dran, dachte Barnes.
»Sie müssen sich wirklich allein gefühlt haben«, sagte Amanda.
»Hab ich auch.«
»Was haben Sie dann also gemacht?«, half Barnes ihr auf die Sprünge.
»Ich rief die Cops an und sagte ihnen, unsere Wohnung wäre durchwühlt worden. Die Leute sollten aufhören, sich um Davida Gedanken zu machen, und sich auf mich konzentrieren. Sie war schließlich tot, aber ich nicht .«
Minettes Egoismus überraschte die Detectives nicht, aber dass sie ihn so freimütig zugab, schon.
»In Zukunft«, sagte Barnes, »falls Sie noch mal Angst haben sollten, es gibt Leute, die Ihnen helfen können und die Sie nicht anflunkern müssen, damit sie mit Ihnen reden.«
»Mehr war es nicht«, schluchzte sie. »Eine dumme Flunkerei, weil ich verzweifelt war! Bin ich jetzt in Schwierigkeiten?«
»Sie haben eine falsche Anzeige erstattet«, sagte Barnes, »und deshalb könnten Sie Schwierigkeiten bekommen, ja. Aber ich nehme an, der Richter wird Ihre besonderen Umstände berücksichtigen.«
Minette nickte. »Ich sollte vermutlich Verbindung zu meinem Anwalt aufnehmen.«
»Vermutlich«, sagte Amanda. »Falls Sie sich keinen leisten
können, wird das County Ihnen einen kostenlosen Rechtsbeistand stellen.«
»Geld ist kein Problem.« Sie kam schwankend auf die Beine. »Kann ich jetzt meinen Rechtsanwalt anrufen?«
»Zunächst müssen wir Ihnen Ihre Rechte vorlesen.«
Minette setzte sich während des Beginns der Miranda-Warnung hin, wie betäubt, bewegungslos. Als Barnes zu dem Teil über den Anwalt kam, der gestellt wurde, sagte sie: »Das haben Sie gerade schon gesagt. Ich kenne das alles sowieso aus dem Fernsehen. Ich sehe eine Menge fern, weil sie mich immer alleinließ.«
»Sie ist eitel und egoistisch, und es dreht sich alles um sie«, sagte Barnes, als sie wieder auf der anderen Seite des Einwegspiegels saßen. »Aber die wirkliche Frage lautet: Hat sie Davida ermordet? Wir haben ihre Wohnung und ihre Kleidung durchsucht. Nichts davon weist Blutspritzer auf, keine Schießpulverrückstände, keine Schuhe mit Spuren von Blut oder Teppichfasern. Kein Waffenschein, und es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie eine illegale Schusswaffe besaß.«
»Sie könnte jemanden angeheuert haben.«
»Warum sollte sie wollen, dass Davida tot ist?«
»Weil Davida sie betrog. Weil Davida sie einmal zu oft alleingelassen hat.«
»Damit ist Minette fertiggeworden«, sagte Barnes. »Indem sie sie selber betrog.«
»Minette ist eine selbstsüchtige kleine Schlampe, die vermutlich einen narzisstischen Wutanfall bekam, als sie herausfand, dass Davida still und leise eine Geliebte hatte.«
»Okay, also gefällt sie dir.«
Amandas Lächeln war matt.
»Gefällt sie dir wirklich als Mörderin?«, fragte Barnes.
»Nein, aber ich will sie nicht ausschließen. Sie ist labil,
und sie kannte Davidas Gewohnheiten besser als jeder andere.«
Es hatte keinen Sinn, das Thema weiterzuverfolgen.
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