Schwert des Aufruhrs
sich nicht sicher war. Es war so viel einfacher, seinen Stab hinter Titeln und Positionen zu verstecken und sie nicht als Menschen zu betrachten. Besonders, wenn Jonah ihnen Befehle geben musste, auf die er nicht stolz war. Befehle, die er nie erteilt hätte, wenn es nur um sein Leben gegangen wäre und nicht um das von Milliarden Menschen. Billionen sogar.
»Und um heute auch nur einen Bruchteil von ihnen zu retten, kommen wir um harte Entscheidungen nicht herum. Wir dürfen nur hoffen, dass wir die Scherben später noch auflesen können. Aber es sind so viele. So viele.«
»Und wenn ich sage: >Dieser hier soll nicht mit dir gehen<, dann wird er es auch nicht tun.«
Jonah erkannte die Referenz auf das Unvollendete Buch, und er kannte auch die ursprüngliche Quelle. »>Durch diese Dreihundert werde ich dich erretten.< Das Buch der Richter. Ja, es scheint wirklich so, als müssten wir Gott spielen. Und tun wir es nicht, gehen wir alle unter.«
Emil nickte. »Die Phantomritter stehen bereit, jede nötige Unterstützung zu leisten.« Er stockte. Es entsprach nicht seiner Gewohnheit, seine Meinung zu äußern. Und doch: »Sie sind von guten Männern und
Frauen umgeben, Exarch. Sie alle werden ihr Bestes geben. Selbst unter den schwierigsten Umständen.«
»Die Republik liegt im Sterben, Emil. Stones großer Traum zerbricht. Es kann keine schlimmeren Zeiten geben.«
»Wie lautet Ihr Befehl, Exarch?«
Jonah atmete lange und müde aus. Darauf lief es immer hinaus, nicht wahr? Und es half auch nicht, dass Devlin Stone selbst die Pläne vorbereitet hatte, um deren Ausführung es ging. Nein, das half nicht im Geringsten.
»Vorsichtig«, sagte er. »Still. Weil ich immer noch auf ein Wunder hoffe. Bereitet unsere letzte Verteidigungslinie vor. Die Festungsrepublik.«
Tausend Nadelstiche
»O weh dem Tag! Gewiss wird dies das Ende für die schöne Gestalt des Prinzen Siddartha sein ! Was wird er tun, um sich zu retten?«
- Buddhistische Schriften, I. Der Buddha, Das Erlangen der Buddhaschaft.
Erleuchtung wäre etwas wundersam Prächtiges. Doch ich fürchte, allzu oft warten wir nicht einmal lange genug, um wenigstens der Vernunft Gelegenheit zu bieten, sich durchzusetzen. Und wer das Schwert des Aufruhrs zu oft zieht, wirft irgendwann die Scheide fort.
- J ulian D avion , Lord Markeson, Krieg im Historischen Kontext, Erstveröffentlichung auf Kathil,
2. Dezember 3134
Angesichts der Stimmen, die inzwischen auf Welten wie New Syrtis, Kathil und Chesterton nach capellani-schem Blut verlangen, ist es an der Zeit zu fragen, ob eine strikte Isolationspolitik wirklich in unserem Interesse liegt oder ob die Zukunft nicht stärkeren Bündnissen gehört.
- J acquie B litzer , //battlecorps.org/blitzer,
12. Mai 3135
Terra
Präfektur X, Republik der Sphäre 23. Mai 3135
Die wiederaufbereitete Luft im Innern der Langstreckenfähre schmeckte fade metallisch. Trocken und leblos. Sehr passend, fand Julian, als er die stählerne Wendeltreppe zu den oberen Decks hinaufstieg. Er schlug alle paar Stufen auf das kalte Metallgeländer. Stampfte extra hart auf die Metallstufen, als könnte das Hallen die Bilder einer verwüsteten, zerstörten Einöde aus seinem Kopf vertreiben.
Eine vergebliche Hoffnung.
Die Bilder hatten sich unauslöschlich in seinen Geist eingebrannt.
Sie befanden sich wieder einmal auf einer der Rundreisen, die der Exarch neben anderen Aktivitäten organisiert hatte, um seine Besucher einander näher zu bringen, und der erste Vorbeiflug der Fähre über Hilton Head >Island< beziehungsweise über das, was von dieser historischen Stätte noch existierte, hatte in hoher Geschwindigkeit und zwei Kilometern Flughöhe stattgefunden. Julian hatte zwischen der Felsenküste und den leblosen Bodenflecken mindestens drei Krater gezählt. Der über die Bordlautsprecher der Fähre ablaufende automatische >Reisefüh-rer< hatte erklärt, dass sich die Historiker bis heute nicht einig waren, ob diese Krater von abgeworfenen Nuklearsprengköpfen oder von Atombomben stammten, die durch Agenten eingeschmuggelt und später ferngezündeten worden waren.
Ein zweiter, tieferer Vorbeiflug im Helikoptermodus hatte zweiundzwanzig entsetzliche Minuten gedauert, und Julian hatte sich zusammen mit den anderen Diplomaten und Fremdweltdelegierten an den Panzerglasfenstern der Backbord-Aussichtsloge die Nase platt gedrückt. Hatte Ausschau nach dem ehemaligen Zentralkomplex ComStars gehalten und nur Stahlbetonflächen gefunden, die als
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