Schwert des Aufruhrs
Feier eröffnen. Sein Kinnbart wirkte sehr gepflegt. In seinen Augen leuchtete eine Gnade, wie sie nur wenige wahre Gläubige jemals erreichten.
Die Stille vertiefte sich, als er mit großen, knochigen Händen das Predigerpult umfasste. »Wir wollen uns an Victor Steiner-Davion erinnern.«
Die Erinnerungsansprache trat an den Platz des Eröffnungssegens. Sie war zwar lang, kam aber deutlich von Herzen. Der Bischof sprach über Victor als Mensch und als Freund.
»Niemals zu stark, um seine eigene Schwäche nicht zu sehen. Niemals zu schwach, sich Zeit zu nehmen, anderen zu helfen. Gegen Ende führte er ein einfaches Leben. Er bevorzugte eine tägliche Routine nicht allzu entfernt von der, die man in jedem Haus, in jeder Stadt, auf jeder Welt findet. Ein ganz normaler Mensch mit einem großen Herzen und einer gewaltigen Lebenslust. Gelegentlich in außerordentliche Ereignisse verwickelt. Doch am Ende ein Sohn und ein Vater. Ein Ehemann. Ein Bruder. Ein Freund. Nehmen wir uns alle einen Augenblick die Zeit, uns an den Victor zu erinnern, den wir persönlich kannten.«
Tara versuchte sich vorzustellen, was die Menschen ringsum jetzt dachten und flüsterten. Ein Anführer. Ein Prinz. Ein Feind. Ein Patriot. Ein Tyrann. Für sie war Victor ein Ideal. Sie hatte ihn nie näher kennengelernt, aber sie hatte sein Leben studiert, von der Geburt über die Clan-Invasion und den Heiligen Krieg bis zum Lebensabend als vorbildlicher Paladin.
Ihr war bewusst, dass Victor vermutlich nicht allzu erfreut darüber gewesen wäre, dass seine Beisetzung politischen Erfordernissen dienen musste, aber er wäre stark genug gewesen, dieselben schweren Entscheidungen zu treffen wie die Exarchen Redburn und Levin.
»Danke«, beendete der Bischof seinen Teil der Zeremonie.
Von einigen Stellen der Kathedrale hörte Tara geflüsterte Amen von Menschen, die die Gelegenheit zu einem Gebet genutzt hatten. Als tief gläubige Katholikin bekreuzigte sich Tara.
Als Nächstes erschienen vierzig gregorianische Mönche hinter dem Altar und nahmen den Platz des normalen Chors ein. Ohne Instrumentalbegleitung stimmten sie einen spirituellen Gesang an. Ihre kräftigen Stimmen erhoben sich und hallten durch das prächtige Kirchenschiff. Sie sangen einen Teil der Großen Totenmesse von Hector Berlioz, eines der wenigen antiken Musikstücke, das die verschiedenen neoklassischen Bewegungen nahezu intakt überstanden hatte.
Tara verlor sich in der Musik, ließ sich von dem Meisterwerk und der kraftvollen Darbietung mitreißen. Erst später, als die vier letzten Takte allmählich verhallten, dachte sie über die Wahl des Stückes nach. Die Grande Messe des Morts.
Ein Requiem, das in den Tagen seiner Entstehung fast zum Opfer von politischen Intrigen und Rivalitäten geworden wäre.
Lag darin eine Botschaft? Mit Sicherheit. Bei dieser Zeremonie geschah nichts ohne tiefere Bedeutung. Kein Wort, keine Pause.
Ganz sicher auch nicht die Grabrede des früheren Exarchen Damien Redburn. Die erste von drei geplanten Reden war auch die wichtigste der morgendlichen Messe.
Redburn stand auf und trat mit langsamem, würdevollem Schritt ans Pult, um es von Bischof Wes-ley-Smith zu übernehmen. Obwohl er erst fünfzig
Jahre alt war, hielt sich der ehemalige Exarch, als laste immer noch die volle Verantwortung des Amtes auf seinen Schultern. Tara saß nahe genug, um das Grau in seinem dunklen Haar zu erkennen, und in Redburns Gesicht hatten die Belastungen der letzten Jahre tiefe Linien gegraben. Die Gerüchte seines gnädigen Rückzugs ins >einfache Leben< eines Pensionärs schienen stark übertrieben.
»Ich kannte Victor Steiner-Davion«, setzte Redburn an. »Als einen Krieger und Patrioten. Als einen Staatsmann und Paladin. Als einen Freund. Es gibt nur wenige, von denen man mit Recht sagen kann, dass sie sich selbstloser für diese großartige Republik oder die ganze Innere Sphäre eingesetzt haben. Er gab ihr sein Vermögen und seinen Glauben, und oft genug musste er für seine Überzeugungen bluten. Victor war mit dem Status Quo nie zufrieden. Er schloss die Ausbildung am Nagelring cum laude ab und kommandierte einige reguläre Regimenter. Er diente als Archon und Prinz, als Befehlshaber der neuen Sternenbund-Streitkräfte, als Präzentor Martialum und als Paladin der Sphäre. Und sein ganzes Leben lang arbeitete er unermüdlich an einem einzigen großen Ziel.«
Für mehrere kostbare Pulsschläge ließ er Schweigen über das riesige Kirchenschiff
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