Schwert und Laute
sein. Wie soll man jemandem sagen, dass die eigenen Leute seinen geliebten Bruder töten werden? Sie stieß einen Seufzer aus, setzte sich wieder und stützte den Kopf in die Hände. Am liebsten hätte ich sie getröstet, doch ich fühlte mich nicht in der Lage dazu.
»Ich kann nichts dagegen unternehmen, aber es tut mir entsetzlich leid für Euch«, stotterte ich.
»Leid? Wieso? Ihr begreift nicht, nein, natürlich, Ihr könnt ja nicht wissen...«
»Was wissen?«
»Habt Ihr eine Waffe?«
»Ja, aber ich kann sie Euch nicht geben. Wenn Ihr zu fliehen versucht, werden die Männer nicht gerade sanft mit Euch umgehen...«
»Nein, Ihr versteht mich ganz falsch, ich will nicht weglaufen. Aber wenn Eure Männer Ewen nicht töten, dann bringe ich ihn selbst um.«
Ich war sprachlos. Bestimmt hatte ich sie falsch verstanden.
»Das begreife ich nicht.«
»Ich will ihn tot sehen. Bringt ihn um, diesen Bastard«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Hass verzerrte jetzt ihre tränennassen Züge.
»Ihr wollt, dass sie Euren Bruder töten?«
»Ewen ist nicht mehr mein Bruder ... in meinem Herzen nicht mehr. Seit dem Tag, an dem ich vierzehn wurde, ist er für mich gestorben... Er hat mich... Er hat ...«
Sie brach in Schluchzen aus. Ich trat zu ihr und nahm sie in die Arme. Niall tauchte beunruhigt in der Tür auf, doch ich bedeutete ihm, dass alles in Ordnung sei, und er kehrte auf seinen Posten zurück. Ich flüsterte besänftigende Worte, um das unglückliche Mädchen zu trösten.
Nach einer Weile weinte sie weniger heftig und beruhigte sich schließlich. Ich reichte ihr mein Taschentuch, damit sie sich die Augen trocknete.
»Er darf mich nicht finden, Caitlin. Ich will nicht zurück zu ihm, er ist ein Ungeheuer.«
»Aber warum?«
Offensichtlich entging mir hier etwas. Die Geisel wollte nicht befreit werden.
»Er... verkauft mich.«
»Was meint Ihr damit? Als Dienstbotin?«
Sie schüttelte den Kopf und schniefte.
»Nein, an Männer. Sie zwingen mich, Dinge zu tun ...«
Entsetzt starrte ich sie an.
»Euer Bruder zwingt Euch, Euren Körper zu verkaufen? Seine eigene Schwester?«
Sie gab keine Antwort und hielt den Blick auf ihre Schuhspitzen geheftet.
»Habe ich das richtig verstanden, Catriòna?«
Das junge Mädchen nickte.
»Er ist eigentlich mein Halbbruder. Seine Mutter starb, als er noch ein Kind war. Unser Vater hat dann wieder geheiratet, meine Mutter... Sie ist vor sechs Jahren gestorben, und das war eine Erlösung für sie. Unser Vater war ein Säufer. Er schlug sie, und wenn sie nicht da war, um seine Schläge zu empfangen, dann bekam ich sie ab. Ewen verhält sich genau wie mein Vater, nur dass er noch Vergnügen daran hat. Unser Vater ist ein Jahr nach meiner Mutter gestorben, bei einem Überfall durch die Männer von Lochaber ...«
Sie schlug die glänzenden schwarzen Augen zu mir auf.
»Ich gebe ihnen keine Schuld daran, es war ein Unfall. Sie wollten ihn nicht töten; er war dermaßen betrunken, dass er vom Pferd gestürzt ist und sich mit seinem eigenen Dolch aufgespießt hat. Doch Ewen sieht das anders, er will sich rächen. Deswegen hat er sich die Tacksmen vorgenommen. Er stiehlt das Geld, um das Land zurückzukaufen, das einmal uns gehört hat. Unser Onkel Robert hat es verloren, und jetzt ist es in den Händen der schlimmsten Feinde von Breadalbane. Ein Affront gegen den Clan... Ich bin nicht besonders stolz darauf, wisst Ihr... Ich ehre meinen Namen, aber manchmal ist es ziemlich schwer zu ertragen, was einige der Meinigen unter dem Namen Campbell tun. Wir sind nicht alle so. Ich nehme an, Ihr seid aus Glencoe?«
»Ja, mein Mann gehört dem Clan an.«
Sie wandte den Blick ab.
»Ich war furchtbar bestürzt, als ich hörte, was mein Onkel Robert getan hat... Er hat den Namen Campbell entehrt. Wir sind verflucht. Jeder weiß, dass selbst Erzfeinde niemals die Gesetze der Gastfreundschaft verletzen würden, doch er hat es getan. Die Sassanachs haben sein Hirn vergiftet, das bereits vom Whisky zerstört war. Ich kann nicht mehr dorthin zurück... Ich will nicht wieder nach Glenlyon ...«
»Aber was habt Ihr vor?«
Sie fasste meinen Arm und sah mich flehend an.
»Nehmt mich mit, ich wäre ein gutes Dienstmädchen, ich kann kochen und einen Haushalt führen ...«
»Catriòna«, unterbrach ich sie, »ich kann Euch nicht mitnehmen... Aber ich kann versuchen, eine andere Möglichkeit für Euch zu suchen.«
»Mein Bruder darf mich hier nicht finden. Ich würde lieber
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