Schwert und Laute
getan. Außerdem weiß ich, dass sie Interesse an mir hat.«
»Sie ist verletzlich. Nutz die Lage nicht aus, dazu hast du kein Recht!«
»Verletzlich... kann gut sein. Deswegen möchte ich ja in ihrer Nähe sein. Sie ist schutzbedürftig.«
»Es geht hier nicht um Schutz, Herrgott, Colin! Den bieten wir ihr bereits...«
»Vorübergehend. Und was wird aus ihr, wenn sie gesund ist, wenn sie wieder gehen muss?«
Ein Pferd schnaubte, und zwei Schwalben, die in ihr Nest zurückkehrten, streiften mich und zwitscherten aufgeregt. Ich fuhr zurück, um ihnen auszuweichen, verlor fast das Gleichgewicht und hielt die Luft an.
»Wir werden dafür sorgen, dass sie in gute Hände kommt. Mehr können wir nicht tun.«
»Ich will ihr mehr bieten, Liam.«
»Weißt du denn überhaupt, ob sie das will? Nach dem, was sie in dem Herrenhaus erlebt hat, ist sie vielleicht gar nicht bereit...«
»Ich bin geduldig.«
»Herr im Himmel, Colin! Du kennst sie doch gar nicht!«
»Gut genug, um zu wissen, dass sie mir gefällt! Diese Frau ist alles andere als eine Närrin. Diese List, die sie ersonnen hat, um unsere Waffenladung zu retten, war das kein Beispiel dafür? Und du, wie hast du es ihr gedankt? Gar nicht!«
»Sei still, Colin!«
Beschämt schloss ich die Augen. Ich entzweite die beiden Brüder, die sich jeder nur auf den anderen stützen konnten. Das
Schweigen zog sich in die Länge, und ich wollte schon wieder gehen, als sich erneut Colins Stimme vernehmen ließ.
»Ich gehe zu John und erkläre ihm alles.«
»Er wird es dir abschlagen, mach dir keine Illusionen. Ich...«
Ich hörte Schritte; einer von ihnen ging auf und ab.
»Wie? Du hast ihn wohl schon um dasselbe gebeten?«
»Hör auf, dummes Zeug zu reden.«
»Hast du ihn gefragt, Liam?«, beharrte Colin wütend.
Meine Schläfen pochten schmerzhaft. Ich umklammerte den Türriegel und wartete auf Liams Antwort, doch es kam keine. Mein Hals war trocken, und ich schluckte. Ich hätte gar nicht hier sein dürfen. Mit schwerem Herzen kehrte ich zu Bonnie zurück, die auf dem schlammigen Boden ungeduldig hin und her lief und sicherlich darauf wartete, dass ich sie zu einem Spazierritt holte.
Ich nahm eine Handvoll Heu und begann, sie abzureiben. Viel zu lange hatte ich sie vernachlässigt. Doch ich arbeitete mechanisch, meine Gedanken waren anderswo. Die Erinnerung an die letzten Sätze des Gesprächs quälte mich. Ich stand zwischen zwei Männern und wusste nicht, was ich tun sollte...
»Du bist heute Morgen ziemlich früh auf«, sagte jemand hinter mir.
Mit einem Schrei fuhr ich zusammen und drehte mich um. Der improvisierte Striegel fiel mir aus den Händen, doch ich unternahm nichts, um ihn aufzuheben. Der Blick aus Liams blauen Augen lähmte mich.
»Tha mi duilich, entschuldige«, sagte er ein wenig schüchtern und strich sich die feuchten Haare glatt. »Ich wollte dir keine Angst einjagen.«
»Man könnte meinen, dass dir das zur Gewohnheit wird.«
Verlegen lächelte ich ihm zu. Ich warf einen Blick zu den Stallungen. Colin war nirgends zu sehen.
»Ich dachte, alle schliefen noch«, log ich, ein wenig peinlich berührt. »Du bist ebenfalls früh unterwegs.«
»Ich wollte mich vergewissern, ob die Herde vollständig ist. Wenn hier ein Campbell herumschleicht, ist es gut möglich, dass Tiere verschwinden.«
Er stieß einen Pfiff aus. Sein schwarzer Hengst, der ein Stück weiter weg weidete, hob den Kopf und kam herbeigetrabt. Liam legte ihm das Zaumzeug an.
»Ganz ruhig, ganz ruhig, Stoirm .«
»Ist das sein Name? Sturm?«, fragte ich überrascht.
»Ja. Ich habe ihn in den Lowlands gefunden, mitten in der Nacht in einem Sturm. Er war vollkommen in Panik. Ich habe bestimmt zwei Stunden gebraucht, um ihn zu beruhigen.«
»Als ich klein war, hat mein Vater mich oft mit diesem Spitznamen gerufen«, erklärte ich nachdenklich. »Er sagte zu mir, wenn ich wütend würde, dann nähmen meine Augen die Farbe des tobenden Meeres an, und da meine Haare ständig zerzaust seien, ähnele ich einem schwarzen Sturm oder Stoirm Dubh .«
Liam wandte sich zu mir, seine Mundwinkel zuckten.
»Ich hatte noch keine Gelegenheit, das festzustellen«, meinte er lachend.
»Das würdest du dir auch nicht wünschen«, bemerkte ich und lachte ebenfalls.
»Nein, wahrscheinlich nicht. Möchtest du... mich begleiten?«
Er sah mich vorsichtig an.
»Falls deine Verletzung das zulässt. Es ist vielleicht noch ein wenig zu früh.«
»Ich würde mir dein Tal gern anschauen. Wir
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