Schwerter der Liebe
Genauso bekam sie nun ein Gefühl dafür, wie schlimm es für sie gewesen wäre, hätten sie den Jungen verloren.
»Geht es dir gut?«, wollte sie von ihm wissen, als sie ihm über Rücken und Arme strich und dabei überrascht bemerkte, wie trocken seine Kleidung war.
»Ja, ja! Wir sinn Boot gefahrn. Mam’zelle Paulette war ganz schlecht. Sie hat immer nur geweint, und sie hat gesagt, sie will ohne schöne Sachen nich heiraten. Wir sinn in ein großes Haus gegangen. Ich hab was Süßes zu trinken gekriegt, und das hier hab ich von dem Jungen gekriegt, der da wohnt.« Er zog an dem kleinen Gehrock, der genauso geschnitten war wie der eines erwachsenen Gentlemans. »Seh ich gut aus, ja?«
»O ja«, erwiderte Juliette mit zittriger Stimme, während sie dem Jungen durchs Haar fuhr und ihn dann anlächelte. »Sehr gut sogar.«
Paulette kam auf Juliette und den Jungen zu, hatte das Kinn hoch erhoben und sagte: »Wenn du gedacht hast, du könntest unsere Heirat vereiteln, indem du uns folgst, liebe Schwester, dann bist du dafür zu spät gekommen.«
»Ja, das sehe ich.« Juliette richtete sich auf, wobei sie sich an Nicholas' Arm festhielt, dann griff sie nach Gabriels Hand. »Bist du dir sicher, dass es das ist, was du wolltest? Denk doch nur an Maman.«
Paulette benetzte ihre Lippen und sah zu ihrem frisch gebackenen Ehemann. »Es ging nicht anders. Du hast uns keine andere Wahl gelassen.«
»Aber natürlich wollte sie heiraten«, erklärte Daspit. »Warum wäre sie sonst in Gretna?«
»Wirklich, chere ?«, hakte Juliette nach und kam noch einen Schritt näher.
Paulette wurde ein wenig blasser. »Ja, aber sicher. Na gut, vielleicht nicht do, aber was macht das schon aus? Es läuft doch auf dasselbe hinaus.«
Nicholas mischte sich ein. »Was hier stattfand, ist doch keine offizielle Trauung. Ohne Vollziehung der Ehe oder den Segen der Kirche wäre eine Annullierung ein Leichtes.«
»Hör nicht auf sie«, sagte Daspit. »Sie sind nur hinter der Truhe her.«
»Ich garantiere, dass es nicht darum geht.« Juliette warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu.
»Dann treten Sie Ihren Anspruch auf die Truhe nun bereitwillig ab, nachdem wir geheiratet haben?«
»Was das angeht ...«
»Siehst du, Paulette?« Daspit lachte gehässig.
»Ich wollte nur sagen, dass es nicht meine Entscheidung ist, sondern die von Maman. Aber wenn du mit uns sofort wieder nach Hause kommst, Paulette, dann ist es möglich, dass niemand je ein Wort über diese Eskapade fallen lässt. Es wird so sein, als wären diese Gelübde nie gesprochen worden.«
Paulette sah von Juliette zu Nicholas, dann zu ihrem Gatten und schließlich zum Richter. »Monsieur?«
Der Mann räusperte sich und schaute zu seiner Frau, die vom Piano aufstand und sich zu ihm stellte. »Es ist eine mögliche Lösung für die wenigen Fälle, in denen sich Braut oder Bräutigam als unwillig entpuppen. Oder wenn sich herausstellt, dass sie nicht bei Sinnen waren.«
»Aber ich bin bei Sinnen«, erklärte Paulette. »Monsieur Daspit und ich sind rechtmäßig verheiratet worden, und so soll es auch bleiben!«
»Denken Sie gut nach, Mademoiselle«, mischte sich Nicholas wieder ein, »bevor Sie so weit gehen, dass sie ...«
»Schluss damit!«, rief Daspit, der hinter Paulettes Rücken unbemerkt eine kleine Pistole aus seiner Westentasche gezogen hatte und auf Nicholas richtete. »Sie haben schon einmal versucht, mich als Bräutigam aus dem Weg zu räumen, aber es wird für Sie keine zweite Gelegenheit geben. Meine Braut und ich werden jetzt gehen. Machen Sie Platz, oder Sie tragen die Konsequenzen.«
Daspit ging weiter, bis er an dem Fenster angelangt war, von dem aus man die Veranda überblicken konnte. Plötzlich bemerkte Juliette eine Bewegung hinter den Vorhängen, die Schutz vor der Kälte der Winternacht boten. Im nächsten Moment teilten sie sich, und eine melodische, spöttische Stimme ertönte.
»Ach, süße Liebe. Lasst uns ihren Sieg feiern, lasst uns Psalmen von zartem, sanftem Werben singen — oder von der Ehe, was immer Ihnen am liebsten ist. Aber nicht von Mord, es sei denn, dem Bräutigam ist nach dem Geschmack von Stahl.«
Es war Blackford, der die Samtvorhänge zur Seite geschoben hatte und nun so stand, dass sie ihn einrahmten, während er sich mit der Hüfte am Fensterrahmen abstützte. Auf den Lippen trug er ein schräges Lächeln, die glänzende Klinge seines Stockdegens lag an Daspits Hals. Juliette hörte, wie Paulette schockiert nach Luft rang und
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